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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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»Lass mich gefälligst los, Mönch!«
    »Nicht, wenn du dich an dem Gefangenen vergreifen willst.«
    »Der Lump hat Vogt Wenrich angegriffen.«
    »Sieht mir eher so aus, als hätte Albin sich nur verteidigt. Oder glaubst du, ein halber Knabe, dessen Hände auf den Rücken gebunden sind, greift grundlos einen kriegserfahrenen Mann wie Wenrich an?«
    Dem Soldaten kamen Zweifel, und er brummte etwas Unverständliches.
    Der Mönch, niemand anderer als Graman, wollte das Schwanken der Wache ausnutzen und fuhr rasch fort: »Wenn mich nicht alles täuscht, hat der Vogt sich an dem Gefangenen vergriffen. Abt Manegold und König Arnulfs Gesandter werden darüber gar nicht erfreut sein. Die Verhandlung gegen Albin soll morgen weitergehen. Wenn du den Knaben tötest, wirst du dich vor dem Abt und vor Graf Guntram verantworten müssen!«
    »Ich will nur meinem Herrn beistehen, dem Vogt«, sagte der Soldat lahm.
    Wenrich kniete zwischen ihnen und Albin. Er hatte die Hände vom Gesicht genommen und sie vor Schmerz und Zorn zu zuckenden Fäusten geballt. Die auf dem Boden liegende Fackel brannte noch und beleuchtete sein Gesicht. Ein Streifen verbrannten Fleisches zog sich wie ein dunkler Bart von der einen Wange übers Kinn bis zur anderen Wange.
    Bei dem Anblick fragte sich Albin, wie er selbst aussehen mochte. Seine linke Gesichtshälfte schmerzte höllisch. Er wollte vorsichtig nach seiner Wunde tasten, und wieder behinderten ihn die Fesseln.
    Wenrichs aufgerissene Augen fixierten den Wächter. »Der Rabenfuß hat mich verbrannt. Worauf wartest du noch, Mann, schlag endlich zu!«
    »Tu es nicht!«, warnte Graman den Soldaten, dessen rechten Unterarm er noch immer festhielt. »Sonst sorge ich dafür, dass es morgen ein doppeltes Gerichtsverfahren gibt, gegen dich und den Vogt. Und rate mal, wen die härtere Strafe treffen wird!«
    Der Blick des Soldaten flog von Graman zu Wenrich und zurück. Die Falten auf seiner Stirn verrieten sein krampfhaftes Nachdenken. Wenrich würde ihn sicher schelten, wenn er seinen Befehl nicht ausführte. Andererseits, das war selbst dem einfachen Verstand des Wächters klar, würde Wenrich vor Gericht mit einer Verwarnung davonkommen, mit einem Strafgeld allenfalls. Er aber, nur ein einfacher - Soldat ohne Einfluss, würde vielleicht mit dem Leben büßen, wenn das Gericht auf Mord erkannte. Also wählte er das kleinere Übel und steckte das Schwert wieder in die lederumspannte Scheide an seiner linken Hüfte.
    »Feige Ratte!«, rief Wenrich. »Das wirst du mir büßen.«
    Graman, der den Arm des Soldaten losgelassen hatte, sagte zu ihm: » Hilf dem Vogt zum Siechenhaus. Ich kümmere mich um seine Wunde, sobald ich den Gefangenen versorgt habe.«
    »Zuerst willst du dieser teufelsfüßigen Missgeburt helfen?«, fragte Wenrich empört.
    Graman sah ihn ruhig an und sagte einfach nur: »Ja.«
    Der Soldat wollte seinem Herrn aufhelfen, aber der stieß ihn von sich. »Ich kann allein aufstehen und auch allein zum Siechenhaus gehen. Bleib du hier und gib auf den Gefangenen Acht. Wenn er entkommt, ist dein Kopf mein Ersatz!«
    Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ Wenrich den Verschlag. Der Soldat folgte ihm und nahm vor der Tür Aufstellung.
    Graman stellte seinen Korb neben Albin ab und hob die Fackel vom Boden auf. Er steckte sie so zwischen die Ritzen der Bretterwände, dass ihr Schein den Verschlag ausleuchtete. Erschrecken trat auf sein Gesicht, als er die Brandwunde seines Schützlings deutlich sehen konnte.
    »Dem Herrn sei Dank, ich habe für dein Gesicht eine heilende Salbe aus Johanniskraut und Kohlblättern«, murmelte er und nahm eine Holzdose aus dem Korb. »Ein Rezept der Elben?«, fragte Albin.
    Graman nickte. »Vieles, was wir über die heilende Kraft der Kräuter wissen, stammt von ihnen.«
    Nur ganz sachte strich er beim Auftragen der Salbe über Albins Haut, aber für den Findling war jede Berührung wie ein Peitschenschlag. Unwillkürlich wollte er den Kopf wegziehen, doch Graman hielt Albins Haupt mit der anderen Hand fest. Der Schmerz trieb Albin erneut Tränen in die Augen und der Infir- marius trocknete sie mit einem Zipfel seiner Kutte. Dann rieb er Albins verstauchten Fuß abermals mit der gelben Paste ein und wickelte einen Leinenverband um die geschwollene Stelle. Graman hatte Milch, Käse und eine Fleischpastete in seinem Korb, doch der Wachtposten weigerte sich, Albins Fesseln für die Mahlzeit zu lösen. Also fütterte der Infirmarius seinen Schützling.
    »Danke,

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