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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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aus Graf Guntrams Truppe standen mit aufgepflanzten Speeren vor der schweren Tür aus Eichenbohlen. Der rotgesichtige Anführer der Bewaffneten sagte Albin und Graman, sie sollten hier warten, da zurzeit der Gefangene verhört werde. Albin richtete seinen Blick auf die verschlossene Tür und sein Geist schien das dicke Holz mühelos zu durchwandern...
    Kein Flötenklang hallte mehr durch das Refektorium, kein Gelächter, kein ausgelassenes Geschwätz. Bis auf zwei Mönche, die hohen Gesandten, ein paar Bewaffnete und den Gefangenen war der Speisesaal leer. Auf den Tafeln standen noch überreichlich die Speisen und Getränke. Nur ein Tisch war hastig freigeräumt worden, um Platz zu schaffen für den toten Grafen Chlodomer.
    »Nenn uns deinen Namen!«, herrschte Graf Guntram den Gefangenen zum wiederholten Mal an.
    Doch der kleine Mann, mit festen Stricken gebunden, kauerte auf einer der hölzernen Bänke und starrte ins Leere, reglos wie eine Statue aus Stein. Nur sein Leib schien sich im Refektorium zu befinden, sein Geist dagegen schien weit entrückt zu sein.
    »Der Zwerg ist so gesprächig wie ein Fisch«, sagte unwillig Graf Agilbert, der Gesandte König Rudolfs von Hochburgund.
    Hauptmann Jodokus, der Anführer der westfränkischen Wachen, trat vor den Gefangenen und zog sein Schwert. »Der Fisch wird zappeln, wenn er am Haken hängt. Und wenn er um sein Leben fürchtet, wird er auch reden!«
    Das Schwert schoss vor. Die Spitze bohrte sich in den Hals des kleinen Mannes. Blut trat aus und bildete ein kleines Rinnsal.
    Graf Guntram riss den Waffenarm des Hauptmanns zurück. »Hör auf damit, Jodokus! Wenn du ihm den Hals durchschneidest, wird er gar nichts mehr sagen.«
    »Das wäre nicht weniger als jetzt«, brummte Jodokus und richtete seinen finsteren Blick auf den Tisch mit dem Leichnam. »Vergiss nicht, dass dieser tote Leib dort mein Lehnsherr war, edler Guntram. Meinem Schwert obliegt die Rache!«
    Guntram schüttelte den Kopf. »Hier herrscht mein König, Arnulf von Kärnten, nicht dein König Odo.«
    In die hageren Züge des Hauptmanns trat ein verschlagener Ausdruck. »Wenn Odo hört, was hier vorgefallen ist, kann sich das schnell ändern. Graf Chlodomer war mit dem König blutsverwandt.«
    Graf Guntram nickte kaum merklich. Er wusste das und die Tragweite war ihm klar. Dass ein Mann aus dem westfränkischen Königsgeschlecht hier, wo der ostfränkische König Arnulf allen Gesandten seinen Schutz versprochen hatte, einen gewaltsamen Tod gefunden hatte, konnte nur zu leicht zum Krieg zwischen den beiden mächtigen Frankenreichen führen. Die Grenzmarken würden brennen und dann ganze Landstriche von Franzien bis hin nach Sachsen. Und das alles wegen eines winzigen Pfeils!
    »Lasst uns nicht streiten, meine edlen Herren«, erhob Abt Manegold seine volltönende Stimme. »Dass Graf Chlodomer hinter den Mauern dieser Abtei gemeuchelt wurde, ist schon schlimm genug. Wenn wir uns überwerfen, ist das weder hilfreich noch findet es Wohlgefallen in den Augen des Herrn.«
    Er blickte nach oben und schlug mit der rechten Hand vor seiner Brust das Kreuz. Alle anderen, auch die Soldaten, taten es ihm nach. Nur der Gefangene regte sich nicht. Die blutende Halswunde schien ihn nicht zu kümmern.
    Ursinus, der bärtige Dekan und Stellvertreter Manegolds, sagte: »Wenn der Gefangene jetzt nicht spricht, sollten wir es später versuchen. Er ist uns sicher. Hören wir uns einstweilen an, was Bruder Graman und sein Schützling zu sagen haben.«
    »Ein guter Vorschlag«, fand Graf Guntram und befahl, den Zwerg abzuführen.
    Noch bevor die Tür geöffnet wurde, wusste Albin, dass man ihn und Graman gleich hineinrufen würde. So wie er wusste, dass der Gefangene stumm geblieben war, allen Drohungen zum Trotz. Albin kannte nicht die Worte, die im Refektorium gesprochen wurden. Und doch hatte er das Gefühl, den Verlauf den Verhörs miterlebt zu haben.
    »Gefühl« war die richtige Bezeichnung. Er hatte Anspannung gespürt, dann Furcht und Schmerz, als der Hauptmann das Schwert in die Kehle des Gefangenen bohrte. Es waren die Empfindungen und Gedanken des Gefangenen, die Albin auf unheimliche Weise miterlebte. Und jetzt spürte er auch seine Erleichterung über das vorläufige Ende des Verhörs.
    Die Tür schwang auf. Klirrende Kettenhemden und eiserne Speerspitzen begleiteten den Gefangenen.
    Seine Fesseln waren so eng, dass sie seinen ohnehin kurzen Beinen nur winzige, trippelnde Schritte erlaubten.
    Sein Blick traf Albin

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