Die Nebelkinder
die Quelle der warmen Luft, die inzwischen zu einer unnatürlichen, feuchten Hitze geworden war. Ein brodelnder, kochender See bedeckte den größten Teil des Bodens und seine heißen Dämpfe erfüllten den Dom mit dichtem Nebel. Albin fühlte sich an die Nebelwand erinnert, die er und Findig auf dem Weg ins Braunelbenreich durchquert hatten.
»Wenn wir da hineinstürzen, werden wir gekocht wie Hühner in der Suppe«, entfuhr es Waldo.
»Wir müssen gut aufpassen, um nicht in den Feuersee zu fallen«, erwiderte Findig ungerührt. »Am Rande des See steigt der Felsboden an. Der Weg ist sehr glitschig, also seid vorsichtig!«
Wie berechtigt die Ermahnung war, stellte Albin fest, als er Findig über den schmalen Felsrand zwischen der Höhlenwand und dem Feuersee folgte. Das feuchte Gestein war kaum weniger rutschig als der überfrorene Boden in den Eishöhlen. Die dicken Dunstschwaden erschwerten es noch, eine halbwegs sichere Stelle für den nächsten Schritt zu entdecken. Zweimal geriet Albin ins Wanken und konnte nur unter größter Selbstbeherrschung das Gleichgewicht wahren. Ein drittes Mal schwankte er, als hinter ihm ein lang gezogener, durchdringender Schrei erscholl. Dem markerschütternden Laut, in dem Erschrecken und Todesangst zum Ausdruck kamen, folgte ein sattes Platschen. Gleich darauf ertönte ein weiterer Schrei.
Albin stützte sich an der Felswand ab und drehte den Kopf über die Schulter. Der Mischler, der hinter Waldo gegangen war, strampelte im Feuersee um sein Leben. Entweder konnte er nicht schwimmen oder der Schmerz, den das kochende Wasser ihm zufügte, ließ ihn jede zweckgerichtete Bewegung vergessen. Mühsam hielt er den Kopf über Wasser und schrie und schrie und schrie. Waldo gab einem anderen Mischler einen Wink. Der Elb nickte und stieß mit seinem Speer zu. Die gezackte Klinge fuhr dem Verunglückten in den Hals und seine Schreie erstarben. Seine Augen richteten sich mit einem überraschten Ausdruck auf Waldo, bevor er im heißen Wasser versank.
Als Waldo Albins vorwurfsvollen Blick bemerkte, sagte er: »Dem war nicht mehr zu helfen. Und sein Geschrei hätte die Rotelben alarmieren können.«
»Damit hat Waldo leider nur zu Recht«, meinte Findig. »Wenn sie uns nicht schon gehört haben. Rasch, weiter! Wenn sie uns hier abfangen, sind wir verloren. Hier ist ein denkbar schlechter Ort zum Kämpfen, aber ein guter zum schnellen Sterben.«
Die Kaltschnäuzigkeit, mit der Waldo und Findig den Tod des Mischlers abtaten, erschreckte Albin, besonders bei dem Braunelb. Er fragte sich, ob Findig ebenso wenig Mitgefühl gezeigt hätte, wenn Albin in das kochende Nass gestürzt wäre.
Probier es besser nicht aus!
Als die Dämpfe nachließen, der begehbare Felsstreifen breiter wurde und der See endlich hinter ihnen lag, atmeten Elben und Mischler auf. Dabei hatten sie den wohl schwierigsten Teil ihrer Mission, Gerswinds Befreiung, noch vor sich.
»Es ist nicht mehr weit bis zu den Rotelben und ihrer Gefangenen«, sagte Findig leise und wandte sich an Waldo. »Albin und ich werden allein weitergehen. Ihr wartet hier, bis ihr unsere Hilferufe oder Kampfgeräusche hört.«
»Warum sollen wir hier warten?«, fragte Waldo voller Misstrauen.
»Weil ihr nicht so geübt darin seid, eure Gedanken abzublocken. Albin und ich beherrschen das besser, gut genug hoffentlich, um uns unbemerkt anzuschleichen.«
Waldo nickte. »Also gut, wir warten.«
Seine Leute schienen mit dieser Entscheidung sehr einverstanden. Sie setzten sich hin, wischten den Schweiß aus ihren Gesichtern und kramten in den Proviantbeuteln nach einer Stärkung.
Findig blickte seinen Schützling an. Ab jetzt kein lautes Wort mehr, Albin! Halt dich hinter mir.
Sie folgten einem mehrfach gewundenen Höhlengang mit mehreren Abzweigungen. Findig ließ sich nicht verwirren. Offenbar spürte er die fremden Gedanken viel deutlicher als Albin, sonst hätte er seinen Weg nicht gefunden, ohne auch nur einmal anzuhalten und zu überlegen. Noch immer war es sehr warm, wofür wohl der Feuersee verantwordich war. Vielleicht gab es unter dem Felsgestein noch mehr heißes Wasser, das diesen Teil der Höhlen erwärmte.
In Deckung!, zuckte es durch Albins Kopf, und Findig verschwand mit einem schnellen Sprung hinter einem großen Felsblock.
Albin folgte ihm. Sie spähten über den Rand des Felsens in eine unerwartet wohnlich ausstaffierte Höhle. Steinlampen mit brennendem Fett, die im ganzen Raum verteilt auf Felsvorsprüngen standen, sorgten
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