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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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zu locken. Die Soldaten hatten sich in den Hinterhalt gelegt und darauf gewartet, dass Albins Begleiter ihn zu befreien versuchten.
    Er und Arne wurden Zeugen eines verzweifelten, ungleichen, blutigen Kampfes. Die Mischler waren hervorragende Krieger, aber Wenrichs Männer hatten zwei Vorteile auf ihrer Seite: das Überraschungsmoment und ihre schiere Ubermacht. Auf einen Mischler kamen fünf oder sechs Soldaten. Ein Mischler nach dem anderen fiel unter Schwertstreichen und Speerstößen, tränkte den Kirchhof mit warmem Blut. Vergeblich hielt Albin nach Findig Ausschau. Falls der Braunelb sich bei den Mischlern befand, war er in dem Gewimmel hauender, stechender und zusammenbrechender Gestalten nicht auszumachen.
    »Weg hier, solange Wenrichs Männer noch mit diesen seltsamen Mischlern, wie du sie nennst, beschäftigt sind!«, drängte Arne. »Ein besseres Ablenkungsmanöver hätten wir uns nicht wünschen können.«
    Nur widerwillig folgte Albin dem Nordmann. Mehrmals sah er über die Schulter zurück, ob er Findig nicht doch erspähen konnte. Dabei wusste er nicht einmal, ob er es sich wünschen sollte. Wenn Findig auf dem Kirchhof war, würden die Soldaten ihn unweigerlich niedermachen. Hatten die Mischler ihn aber nicht mitgebracht, dann war er vielleicht schon seit Stunden tot.
    Arne führte ihn zur niedergebrannten Westmauer und stellte zufrieden fest: »Alle Wachen sind zum Kirchhof geeilt, um in den Kampf einzugreifen. Sieh zu, dass du so schnell wie möglich von der Abtei wegkommst.«
    »Und du?«
    »Ich bin nicht in Gefahr. Und selbst wenn, mein Platz ist bei meiner Herrin.«
    »Auch ich...«
    »Ich weiß, dass du dein Leben für Gerswind geben würdest. Aber wenn dir etwas zustößt, verlässt sie der letzte Rest Lebensmut. Du musst dich retten, auch für sie!«
    Die sich überstürzenden Ereignisse ließen Albin keinen klaren Gedanken fassen. Nur eins wusste er: Er konnte nicht hier stehen bleiben. Also bedankte er sich bei Arne, kletterte über die Mauertrümmer und lief in die Nacht hinaus, nach Westen. Sein Ziel war der Hügel, auf dem er die Mischler zurückgelassen hatte - und Findig.
    »Suchst du mich?«
    Als die Stimme in seinem Rücken erscholl, blieb Albins Herz für einen Augenblick stehen. Vorsichtig hatte er den bewaldeten Hügel erklommen, um mögliche Bewacher Findigs nicht zu warnen. Und jetzt stand der Braunelb plötzlich hinter ihn und schien putzmunter zu sein.
    »Freut mich, dass es dich freut, dass ich noch lebe«, sagte Findig, der seine Gedanken gelesen hatte. »Als es auf Mitternacht zuging, hatte ich Zweifel, ob es einen neuen Tag für mich geben würde. Waldo hat ganz schön getobt, weil du nicht gekommen bist.«
    Die Worte kränkten Albin, der alles versucht hatte, um sich rechtzeitig zu befreien.
    »Ich wäre gekommen, wenn ich gekonnt hätte«, sagte er und berichtete von den Ereignissen in der Abtei. »Wie kommt es, dass du frei bist?«
    »Bedank dich bei Waldo, der einen lebendigen Findig für nützlicher hielt als einen toten. Er brach mit seinen Leuten zur Abtei auf, um dich zu suchen - und den Schatz natürlich. Zu meiner Bewachung ließ er Ivo zurück. Waldo mag meinen Elbenkräften gewachsen sein, Freund Einauge aber ist es nicht. Daran hätte Waldo denken sollen. Ich ließ ein paar Ungeheuer aus der Nacht hervorkriechen und hetzte Ivo so lange hin und her, bis er vor einen Baum lief und sich selbst ins Reich der Träume schickte. Mit seinem Dolch durchschnitt ich meine Fesseln. Und dann kamst auch schon du.«
    Er zeigte Albin den ohnmächtigen Ivo, den eine mächtige Schürfwunde an der Stirn verunzierte.
    »Was machen wir mit ihm?«, fragte Albin.
    »Gar nichts. Er kann uns nicht nützen und nicht schaden, wenn wir ihn hier einfach zurücklassen.«
    »Zurücklassen? Was hast du vor?«
    »Was wohl? Auf Kundschaft gehen. Wir müssen herausfinden, was in der Abtei vor sich geht!«
    Der zweirädrige Karren rollte gemächlich durch eine schmale Senke, deren Ränder dicht mit hohen Moorbirken bewachsen waren. Unvermittelt blieb das hellbraune Zugpferd stehen, schaute angestrengt nach vorn, spitzte die Ohren und stieß ein schrilles Wiehern aus. Der füllige Mann, der gedankenversunken auf dem Bock gesessen hatte, hob den Kopf und sah das Tier aus schmalen Augen an, verwirrt und missgestimmt über den ungewollten Aufenthalt. Es war ein langer, harter Tag gewesen. Alle verfügbaren Männer aus dem Umland waren in der Abtei zusammengekommen, um den Trümmerschutt der Westmauer

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