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Die nervöse Großmacht 1871 - 1918: Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs (German Edition)

Die nervöse Großmacht 1871 - 1918: Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs (German Edition)

Titel: Die nervöse Großmacht 1871 - 1918: Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ullrich
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und uneingeschränkt der Verfolgung preisgegeben worden.« An dieses Programm konnte Hitler 1919/20 anknüpfen. Einen weiteren einflussreichen Exponenten der Alldeutschen nimmt Stefan Frech in den Blick: »Wegbereiter Hitlers? Theodor Reismann-Grone. Ein völkischer Nationalist (1863–1949)« (Paderborn 2009). Gemeinsam mit Claß verhalf Reismann-Grone dem völkischen Nationalismus innerhalb des Alldeutschen Verbandes zum Durchbruch. Unter seiner verlegerischen Leitung entwickelte sich die »Rheinisch-Westfälische Zeitung«, das Sprachrohr der Schwerindustrie an der Ruhr, zu einem extrem rechten, antisozialistischen Kampfblatt. Schon in den frühen zwanziger Jahren sollte Reismann-Grone die Verbindung zu den Nationalsozialisten suchen und schließlich wichtige Vermittlerdienste zwischen Hitler und den Ruhrindustriellen leisten.
    Den allgemeinen Rahmen zu diesen Forschungen bietet die Untersuchung von Peter Walkenhorst: »Nation – Volk – Rasse. Radikaler Nationalismus im Deutschen Kaiserreich 1890–1914« (Göttingen 2007). Der Autor untersucht, von einem diskurstheoretischen Ansatz ausgehend, die Konstruktion der für den radikalen Nationalismus charakteristischen Deutungsmuster und Weltbilder und zeigt auf, wie sie sich in der politischen Praxis der Agitationsverbände auswirkten. Auch dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag zur viel diskutierten Frage nach der Kontinuität vom Kaiserreich zum »Dritten Reich«, vom Wilhelminismus zum Nationalsozialismus.
    »Der preußische Leutnant ging als Gott, der bürgerliche Reserveleutnant wenigstens als Halbgott durch die Welt.« Wie zutreffend die Beobachtung des Historikers Friedrich Meinecke über den Militarismus im Kaiserreich war, belegt eine von Bernd Ulrich, Jacob Vogel und Benjamin Ziemann herausgegebene Sammlung zeitgenössischer Quellen: »Untertan in Uniform. Militär und Militarismus im Kaiserreich 1871–1914« (Frankfurt a.M. 2001). Der Band zeigt eindrucksvoll die abstoßenden, teilweise grotesken Züge von Uniformgläubigkeit und Untertanenmentalität. Dokumentiert wird aber auch: Es gab Gegenstimmen und Gegenkräfte, vor allem unter bürgerlichen Pazifisten und sozialdemokratischen Arbeitern. Allerdings waren sie zu schwach, um dem herrschenden Zeitgeist Paroli zu bieten. Eine vorzügliche Einführung in das Thema bietet Wolfram Wette: »Militarismus in Deutschland. Geschichte einer kriegerischen Kultur« (Darmstadt 2008).
    VI.
    Der Weg in den Ersten Weltkrieg
    In den letzten Jahrzehnten hat sich, im Anschluss an die bahnbrechenden Bücher Fritz Fischers aus den 1960er Jahren, ein weitgehender Konsens in der Forschung zur Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs herausgebildet. Danach erschien das Deutsche Reich unter Wilhelm II. als die Großmacht, die durch ihren weltpolitischen Aktionismus und ihre auftrumpfende Flottenrüstung die internationale Ordnung destabilisierte und daher die Hauptverantwortung nicht nur für die Verschärfung der Spannungen, sondern auch für die Auslösung des Krieges im Juli/August 1914 trug.
    Gegen diese Interpretation macht eine Generation jüngerer Historiker neuerdings Front. So hat Friedrich Kießling (»Gegen den ›großen Krieg‹?«, München 2002) die Auffassung vertreten, dass nicht Spannung, sondern Entspannung ( détente ) das eigentliche Charakteristikum der internationalen Beziehungen in den Jahren vor 1914 gewesen sei. Nach der zweiten Marokko-Krise 1911 hätten sich die Regierungen in Berlin, Wien und London intensiv darum bemüht, die Konfrontation der Bündnissysteme zu reduzieren und die Konflikte zu entschärfen. Diese These, die der Autor noch einmal pointiert in einem Aufsatz zusammengefasst hat (»Wege aus der Stringenzfalle. Die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs als ›Ära der Entspannung‹«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht H. 5/6, 2004, S. 284–304), vermag allerdings auf die Frage, warum es im Sommer 1914 trotzdem zum Kriege kam, keine schlüssige Antwort zu geben.
    Hier knüpft die umfangreiche Studie von Holger Afflerbach an: »Der Dreibund. Europäische Großmacht- und Allianzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg« (Wien–Köln–Weimar 2002). Auch Afflerbach möchte »die bislang vernachlässigten friedenserhaltenden Tendenzen des internationalen Systems vor 1914« in den Vordergrund rücken. Als Exempel dient ihm der Dreibund, jene 1882 zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und Italien geschlossene Allianz, die vor 1914 immer wieder verlängert wurde, allerdings

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