Die netten Nachbarn
hören.
»Weil Sie ihn schlecht erzogen haben. Weil Sie nicht wissen, wie man mit Hunden umgeht. Weil Sie ihn falsch behandeln. Wenn er den roten Teppich benutzt, müssen Sie ihm jedesmal die Schnauze hineinstecken, dann müssen Sie ihm einen Klaps geben und ihn zum Fenster hinauswerfen. So macht man das.«
Obwohl ich kein Freund körperlicher Züchtigung war, machte ich es so. Zwinji kam, sah und pinkelte – ich steckte seine Schnauze hinein, gab ihm einen Klaps und warf ihn zum Fenster hinaus. Die Prozedur wiederholte sich mehrmals am Tag, aber ich ließ nicht locker. Es war mein Lebensehrgeiz geworden, Zwinji seine schlechten Pinkelsitten abzugewöhnen.
Langsam, sehr langsam, zeigten sich die Früchte meiner Geduld. Zwinji hat sich doch manches gemerkt und manches abgewöhnt. Ich stelle das nicht ohne Genugtuung fest.
Gewiss, er pinkelt noch immer auf den roten Teppich – aber nachher springt er ganz von selbst aus dem Fenster, ohne die geringste Hilfe von meiner Seite, und wartet draußen auf mein Lob und meine Leckerbissen.
Immerhin ein Teilerfolg.
Rohmaterial für drei Geschichten
»Jossele«, stöhnte ich aus vertrockneter Kehle, »hat es schon jemals einen so irrsinnig heißen Sommer gegeben?«
»Ich erinnere mich nur an einen einzigen«, antwortete Jossele. »Voriges Jahr.« Ich brütete angestrengt, denn bis zum Abend sollte ich meinen Beitrag für die Wochenendausgabe abliefern.
»Hast du nicht irgendein Thema für eine Geschichte, Jossele?«, fragte ich verzweifelt.
Jossele wusste Rat, wenn auch langsam. »Eine Geschichte. Hm. Heutzutage muss eine Geschichte aus dem Leben gegriffen sein. Warum schreibst du nicht über den sauren Grünspan?«
»Über wen?«
»Er hieß der saure Grünspan«, hob Jossele an, »weil er mürrisch war und ständig einen säuerlichen Gesichtsausdruck mit sich herumtrug. Niemand im Amt konnte ihn leiden. Er hatte einen untergeordneten Posten in einer Unterabteilung des Finanzministeriums und wurde nie befördert. Alle wurden mit der Zeit befördert, nur er nicht. Kein Wunder, dass er die ganze Welt hasste. Nur einmal in der Woche hellten sich seine säuerlichen Gesichtszüge ein wenig auf. Immer nach der Gehaltsauszahlung zeigte er seinen Kollegen die zwei Lotterielose, die er gekauft hatte, und sagte: ›Sollte ich jemals den Haupttreffer machen, dann verschwinde ich eine Minute später aus dieser Pestgrube und will nie wieder etwas mit euch zu tun haben!‹ Nachdem er das oft genug gesagt hatte, kamen seine Kollegen auf den nicht gerade sensationellen, aber durchaus begreiflichen Einfall, die Nummern seiner beiden Lotterielose zu notieren, und am folgenden Freitag stürzte einer von ihnen mit der Nachricht ins Zimmer: Soeben wären im Radio die Nummern der beiden Haupttreffer verlautbart worden, 449 666 und 83 272 mit je 45 000 Pfund. Alle zogen ihre Lose hervor, und der saure Grünspan fiel beinahe in Ohnmacht, denn er sah, dass seine Nummern gewonnen hatten. Schon riss ein anderer die Tür auf: ›Habt ihr gehört? Die zwei Haupttreffer entfallen auf die Lose 449 666 und 83 272! ‹Und als ein dritter die gleiche Nachricht brachte, schwanden Grünspans letzte Zweifel – er war ein reicher Mann. ›Das ist der Augenblick, auf den ich gewartet habe!‹, zischte er, schob seine 90 000-Pfund-Lose in die Tasche und eilte in den dritten Stock, ins Büro des Ministers. ›Herr!‹, rief er ihm zu. ›Seit Jahren sehne ich die Gelegenheit herbei, Ihnen meine Meinung ins Gesicht zu sagen. Jetzt ist es soweit. Sie sind ein Arschloch, Ihre Beamten sind unfähige Schwachköpfe oder Betrüger, und Ihr Ministerium ist eine Brutstätte der Korruption. Ich werde dafür sorgen, dass Letzteres bekannt wird.‹ Damit ließ Grün span den verdutzten Minister sitzen, ging in sein Zimmer zurück, packte seine Sachen und verschwand, ohne sich von irgendjemandem zu verabschieden. Erst als am nächsten Tag die Ziehungslisten herauskamen, stellte er fest, dass er einem Scherz aufgesessen war.«
»Das ist aber eine grausame Geschichte, Jossele«, sagte ich. »Und ein grausames Ende.«
»Wieso grausam?«, gab Jossele zurück. »Das Ende war, dass der Minister den sauren Grünspan tags darauf zum Generalsekretär ernannte.«
»Nun ja.« Ich brauchte eine kleine Pause, um mich zu fassen. »So etwas war ja vorauszusehen. Aber im ganzen ist die Geschichte so negativ, dass ich sie lieber nicht schreiben möchte.«
»Wie du meinst«, sagte Jossele. »Dann schreib über die Tragödie der
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