Die netten Nachbarn
nicht mehr.
Zwinji fühlte sich bei uns bald wie zu Hause und stahl sich in unsere Herzen. Er war leicht zu verköstigen, weil er alles fraß, was in seine Reichweite kam, Knöpfe, Spargel, Armbanduhren, alles Mögliche. Auch liebte er es, kleinere Kadaver aus Nachbars Garten in den unseren zu tragen. Er war rührend anhänglich und wedelte mit seinem kurzen Schweifchen vor lauter Freude jedesmal, wenn wir ihn riefen, vorausgesetzt, dass er in unserer Hand eine ungarische Salami sah. In erstaunlich kurzer Zeit hatte ich ihm beigebracht, meinen Befehlen zu gehorchen. Da für nur einige Beispiele.
»Sitz!« (Zwinji spitzt die Ohren und leckt mein Gesicht.)
»Spring!« (Zwinji kratzt sich den Bauch.)
»Gib’s Pfötchen!« (Zwinji rührt sich nicht.)
Ich könnte noch eine ganze Reihe weiterer Beispiele anführen, aber schon aus den bisherigen geht hervor, dass Zwinji kein blödsinnig dressierter, serviler, mechanisch gehorchender Hund war, sondern ein unabhängiges, selbstständig denkendes Lebewesen. Nur schade, dass er immer auf den Teppich pinkelte. Er pinkelte immer, und nur auf den Teppich.
Warum? Ich weiß es nicht. Nach den Erkenntnissen der neueren Tiefenpsychologie wäre anzunehmen, dass diese unglückselige Gewohnheit auf ein traumatisches Kindheitserlebnis zurückginge oder auf etwas noch Früheres.
Vielleicht ist Zwinji in einem Mohnfeld auf die Welt gekommen und muss deshalb pinkeln, sobald er einen roten Teppich sieht, für den ich ein Vermögen gezahlt habe. Im Übrigen bleiben die Ursachen unwesentlich, und die Flecken bleiben Flecken.
Ich wollte mich mit Zwinjis sonderbaren Pinkelgewohnheiten nicht abfinden und begann mein wohldurchdachtes Erziehungswerk.
»Es ist verboten, auf den Teppich zu pinkeln«, sagte ich ihm langsam und deutlich, mit erhobenem Finger. »Verboten, hörst du? Verboten! Pfui!« Und nach jedem Zuwiderhandeln wurde meine Stimme strenger und mein Finger erhobener. Andererseits überschüttete ich ihn mit Lob, Liebkosungen und Leckerbissen, wenn er sein Geschäft einmal irrtümlich im Ziergarten vollzog, der auch damals noch einigermaßen gepflegt aussah und erst nach und nach, unter der Einwirkung von Zwinjis kräftig wachsenden Zähnen, zu verwildern begann.
Wahrscheinlich zog Zwinji aus meinem abwechslungsreichen Verhalten den Schluss, dass diese zweibeinigen, bald wütenden und bald zärtlichen Geschöpfe, mit denen er’s zu tun hatte, sehr launenhaft sein müssten. Wer kennt sich mit den Menschen schon aus.
Da Zwinji nicht imstande war, die primitivsten Gesetze der Hygiene zu begreifen, musste ich mir immer neue, immer raffiniertere Erziehungsmaßnahmen einfallen lassen. Als Erstes würde ich ihn daran gewöhnen, nicht auf rote Teppiche zu pinkeln, sondern auf andersfarbige, und dann würde ich ihn aus dem Haus locken, sodass er sein Bedürfnis im Freien verrichten könnte, vorzugsweise in den benachbarten Gärten.
Mit diesem Ziel vor Augen bedeckte ich unseren roten Teppich mit einem grauen und stellte für jedes graue Pipi eine Bratwurst als Prämie bereit.
Nach etwa zwei Wochen, in denen Zwinji sich an den grauen Teppich gewöhnt hatte, legte ich den roten wieder aus. Zwinji, der sich gerade im Garten befand, kam freudig bellend herbeigesaust und pinkelte auf den roten Teppich. Hunde sind bekanntlich treu.
Natürlich war mein Vorrat an Pädagogik noch lange nicht erschöpft.
Ich beschloss, in Zwinjis Herzen die Liebe zur Natur zu wecken, kaufte eine lange, grüne Leine und ging mit ihm allnächtlich nach Petach-Tikvah. Ein schöner Spaziergang durch eine schöne Gegend, zumal im Mondschein. Zwinji bewahrte während des ganzen Wegs bewundernswerte Zurückhaltung. Erst kurz vor unserem Haus wurde er unruhig, und kaum hatte ich die Tür geöffnet, machte er einen Satz auf den roten Teppich, wo er sofort in Aktion trat.
Mit der Zeit begann ich mich zu fragen, warum das alles denn sein müsste und warum ich’s mir eigentlich gefallen ließ.
Ich besprach das Problem mit meiner Frau. Sie verwies mich auf den französischen Philosophen Rousseau, der bekanntlich die These aufgestellt hat, dass alles, was natürlich ist, auch schön ist. Mit anderen Worten: Es war natürlich, dass Zwinji immer nur auf den Teppich pinkelte.
Was aber tat die Natur in ihrer grenzenlosen Weisheit?
Eines Morgens, als Frau Kaminski wieder einmal mit einigen Knochen für den Hund herüberkam, erzählte ich ihr von Zwinjis hygienischen Schwierigkeiten und bekam Folgendes von ihr zu
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