Die Netzhaut
vorbeikommen. Er geht an einem Park vorbei, der sich auf der anderen Straßenseite befindet. Plötzlich erhascht er einen Blick auf zwei Gestalten, die zwischen den Büschen verschwinden.
Da sind sie.
Jo will rufen, doch kein Laut kommt ihm über die Lippen. Daniel hält sie an der Hand. Sie sind allein und verschwinden im Dunkeln.
Er irrt weiter, hastet um die nächste Ecke. Auf der Rückseite des Gebäudes bleibt er stehen und hält sich an einem Container fest. Er muss sich vergewissern, dass er sich nicht geirrt hat. Er klettert über einen Zaun, nähert sich dem Park von hinten. Schleicht in gebückter Haltung an der Hecke entlang.
Sie sitzen zwischen zwei Büschen. Das Licht der Bar auf der anderen Seite lässt ihre Silhouetten hervortreten. Sie knutschen. Er kriecht noch näher heran, so nah, dass er sie flüstern hört. Daniel hat eine Hand unter ihr Hemd geschoben. Ihre Hände sieht er nicht. Bestimmt sind sie in seiner Hose.
Nicht sie hat er gesehen, nicht Ylva und Daniel. Es war viel zu dunkel, um zu erkennen, wer das war. Sie haben auch nicht geflüstert. Er muss zu ihrem Appartement gehen und an der Tür klopfen. Wenn sie zu Hause ist, dann war es definitiv ein anderes Mädchen dort zwischen den Büschen. Wenn sie nicht zu Hause ist, wird er ihrem Vater erzählen, wo sie ist. Dann kann er sie auf frischer Tat ertappen, wie sie dort im Gras liegen. Ihr kurzer Rock ist bis zum Bauch hochgeschoben, und ihr Slip hängt ihr um ein Fußgelenk. Und auf ihr liegt Daniel, denn niemand in der Welt kann daran zweifeln, wer es da im Park miteinander treibt.
»Ylva«, sagt er laut. Wiederholt den Namen ein paarmal und nimmt ihn dann nie wieder in den Mund.
Er hat etwas in der Tasche. Den Dosenöffner. Er zieht ihn hervor, klappt den Korkenzieher heraus. Er ist spitz und lässt es in allen Fingern prickeln, während er sich mehrmals in den Unterarm sticht. Am Spielplatz geht er zu einem Baum. Mit der Spitze des Dosenöffners ritzt er etwas hinein. Worte, die ein letztes Mal hinausmüssen, nicht Ylva, sondern
scheiß Ylva
. Sie soll verflucht sein, nicht Daniel, der nichts von der Sache mit ihm und Ylva weiß. Er ritzt weiter im Stamm herum, reißt ganze Streifen Rinde herunter, sodass der Baum nicht überleben wird.
Da spürt er etwas Weiches an seinem Bein. Er zuckt zusammen. Es ist das einäugige Kätzchen. Er packt es im Nacken. Ja, jetzt kann es jammern, das elende Katzenvieh, das immer ankommt und sich seinen Hintern an ihm reibt. Das Kätzchen windet sich und versucht ihn zu kratzen, was Jo erst richtig aggressiv macht. Es ist klein, kaum größer als einer von Arnes Schuhen, und dieser Gedanke macht ihn rasend vor Wut. Er drückt das Katzenvieh mit einer Hand gegen den Baum und reißt mit der anderen Hand den Gürtel aus der Hose. Er schlingt ihn um den Hals des Kätzchens und zieht die Schlaufe zusammen. Da hängt es nun und zappelt in der Luft. Er befestigt das andere Ende des Gürtels an einem Ast und starrt das Kätzchen an, richtet all seinen Hass auf die kleine Kreatur, die nur noch ein beschissenes Auge hat, aber ein Auge zu viel, denkt er. Es ist nicht Jo, der dies denkt, sondern der andere, der mit seinem Vorschlaghammer im Dunkeln steht und ruft:
Das Vieh darf mich nicht sehen! Niemand darf mich sehen!
Jos Hand hat sich eisern um den Hals des Kätzchens geschlossen. Sein Arm ist gestreckt, damit es ihn nicht kratzen kann. Sie zischen und fauchen um die Wette, er drückt noch fester zu, bis eine grünliche Flüssigkeit aus dem Katzenmäulchen läuft. Spuckst du mich jetzt auch noch an, du Scheißvieh? Er greift mit den Fingern an das gesunde Auge, zwingt es auf und stößt mit dem Korkenzieher zu. Das Geräusch des Kätzchens erinnert an einen Säugling, jedenfalls an Nini, als sie nächtelang geschrien hat. Er dreht das Gewinde weiter hinein, bis das Auge nachgibt und etwas Feuchtes auf seinen Handrücken tröpfelt. Er dreht noch ein bisschen weiter und reißt den Korkenzieher dann mit aller Kraft heraus. Das Katzenfell in seiner Hand erschlafft. Er zieht den Gürtel so stramm, dass der dünne Hals fast durchtrennt wird. Aber die Kreatur ist immer noch nicht tot. Er lässt sie hängen, geht zur Schaukel und findet dort einen schweren, spitzen Stein. Er schleudert den schlaffen Tierleib zu Boden, beugt sich darüber und schlägt auf den weichen Kopf ein, bis er wie ein trockener Ast entzweibricht und das winzige Ohr sich mit Blut füllt.
Irgendwann später löst er den Gürtel und wirft
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