Die neue A....- Klasse
Mütter gut kochen konnten. B-FAB Lauras BFAZ (Beste Freundin aller Zeiten) in Kansas hieß Sue. Sues Mutter war eine unermüdliche Köchin. Die ganze Familie saß stundenlang in dieser typischen
Mittelwest-Küche mit dem kleinen Fenster, aus dem man auf den herrlich gepflegten Garten blicken konnte, und schaute ihr beim Kochen zu. Sues Mutter war ständig damit beschäftigt, abzuwaschen, Geschirr abzutrocknen, es in Schränke zu räumen, dann die Pfanne wieder herauszuholen und sie für die Zubereitung einer weiteren Mahlzeit auf den Herd zu stellen. Noch mehr Geschirr, das sie wieder abwaschen und abtrocknen musste, und so weiter und so weiter.
Sues Mutter hatte so eine Grundnervosität an sich. Richtig entspannen konnte sie sich allem Anschein nach nur beim Kochen oder Putzen. Sie war ständig drauf und dran, wegen irgendeiner Bagatelle auszuflippen, wie etwa der Vorstellung, dass ihre Ehe schiefgehen oder ihre Kinder bereits im Teenageralter Sex haben könnten oder sonst etwas. Sie übertrug ihre Angst auf die Teller, schrubbte sie, bis das Dekor verblasste. Okay, das vielleicht nicht, aber sie bearbeitete sie mit bemerkenswerter Hingabe.
Laura zog diese spannungsgeladene Atmosphäre ihrem eigenen Zuhause vor, weil ihre Mutter als Hausfrau nicht gerade eine Leuchte war. Bei Sue roch es tagtäglich nach frischem Kuchen, nach Makkaroni, nach Muffins oder selbst gebackenen Schokoladenkeksen. Ihr Beste-Freundinnen-Verhältnis erklomm in dieser Behaglichkeit mit dem winzigen Tisch und der Karodecke, der kleinen Lampe und dem Telefon an der Wand (was perfekt war, um Anrufe von Jungs entgegenzunehmen) geradezu schwindelerregende Höhen. Egal wie spät es war, es gab praktisch immer etwas zu futtern. Einer ihrer Lieblingssnacks waren Pommes mit einer gehörigen Ladung Ketchup - ein riesiger Berg dampfender, salziger Fritten frisch aus dem Ofen, die sie in Windeseile verputzten. Die Verbindung von aus dem Ruder laufenden Teenagerhormonen mit Massen an Salz und Zucker löste Energieschübe gewaltigen Ausmaßes aus. Diese wiederum entluden sich in
hysterischen Lachanfällen, gepaart mit »Spasti«-Attacken, bei denen die Dialoge aus nichts als der stetigen Wiederholung von »Gott, du bist so ein Spasti« bestanden. Wir verschwendeten keinen Gedanken daran, welche Kalorienmengen ein solcher Frittenberg enthielt. Damals war essen gleichbedeutend mit … spielen. Die Frage nach der Größe unserer Hinterteile war noch nicht in die Windungen unserer Gehirne vorgedrungen und hätte den Zauber dieser Begegnungen zerstört. Heutzutage kann Laura nicht viel essen, ohne dass sie später die Rechnung auf der Waage präsentiert bekommt. Was für eine Schande. Aber wenn sie mit Freundinnen in ein nettes Restaurant geht, überkommt sie ab und zu wieder dasselbe Gefühl wie damals - zwei Freundinnen an einem Tisch bei einer gemeinsamen Mahlzeit, behaglich, warm, sicher und so unendlich lustig. Danke, lieber Gott - für Essen, für Freunde und die Küche der besten Freundin.
Bewegliche Ziele
Laura fand niemals einen würdigen Ersatz für die Tröstlichkeit der Küche von Sues Mutter. Deshalb ist es wohl kein Wunder, dass B-FAB Laura sich drei Dinge angewöhnt hat: 1.) Sie isst, um Trost zu erfahren; 2.) sie redet und isst gemeinsam mit Freundinnen, um Trost zu erfahren; 3.)sie nimmt schnell zu, weil sie ein untröstlicher Mensch ist. Aus irgendeinem Grund hat Laura sich eingeredet, dass sie das Spielerische von damals wiederentdecken und endlich aufhören könnte, wegen ihres Körpers mit sich zu hadern, wenn sie nur erst das richtige Haus oder Apartment mit der perfekten Küche gefunden hätte. Es funktioniert aber nicht. In den letzten zwölf Jahren ist sie neunmal umgezogen - ungelogen. (Offenbar hängt dieser Mangel an innerem Frieden nicht mit
ihrem Zuhause zusammen. Aber versucht gar nicht erst, ihr das zu erklären. Im Moment sind ihre Taschen wahrscheinlich längst für den nächsten Wohnungswechsel gepackt. Übrigens ein hervorragendes Mittel, um abzunehmen - dieser Umzugsstress und das Kistenschleppen.)
Die Schlacht am Familientisch
Unsere Essgewohnheiten und die Probleme mit dem Selbstwertgefühl, die uns im Würgegriff halten, haben ihren Ursprung vorwiegend in unserem eigenen Zuhause, nicht in dem unserer besten Freundin. Nachdem Laura also wieder mal bei einer Freundin übernachtet hatte, kehrte sie nach Hause zurück an ihren eigenen Esstisch mit Blick auf den Garten in der West 75th Street in Prairie Village, Kansas.
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