Die neue A....- Klasse
Dort war es nicht so leicht, an etwas Essbares heranzukommen, da ihre beiden Brüder alles im Handumdrehen verschlangen, was sie in die Finger bekamen. »Kauen« war ein Fremdwort für sie, stattdessen inhalierten sie förmlich, was auf den Tisch kam. Laura musste also vorbereitet sein, die Gabel gezückt und bereit, sich in der Sekunde darauf zu stürzen, wenn der Schüsselboden die Tischplatte berührte, oder sie hatte das Nachsehen und musste hungrig danebensitzen. Ihre Mutter kochte meistens dasselbe - Spaghetti oder Makkaroni, Schweinerippchen oder Burger. Wenn ihre Mutter bereit war, das Essen zu servieren, wurde Laura stets nervös, weil sie genau wusste, dass im nächsten Moment die Banks’sche Version von Darwins »Überleben des Stärkeren« losbrechen würde. Das Abendessen lief immer gleich ab - ein Gewirr aus wirbelnden Armen, fliegenden Brötchen und Gabeln voller Pasta, die bereits auf halbem Weg zu den Tellern in scheunentorgroßen
Mündern verschwunden waren. Wenige Sekunden und zack, schon war das Essen beendet, und Laura und ihrer Mutter blieb nur noch, das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Die Top-Strategie in diesem Kampf: Zehn Minuten, bevor der Rest der Mannschaft von einem erbitterten Baseballmatch hinterm Haus hereingestürmt kommt, am Tisch erscheinen und den einen oder anderen Bissen stibitzen, während man so tut, als decke man den Tisch. Und schon ist man satt, bevor das Essen überhaupt angefangen hat.
Familiäre Kampfmahlzeiten
Jede Familie hat ihre eigene, wenn auch gleichermaßen gewichtsfördernde Esstischdynamik. Ein Leben mit Geschwistern zwingt einen, zu lernen, effizient und zügig so große Mengen wie nur möglich in sich hineinzustopfen. Vielleicht waren Sie ja die Schnellesserin in Ihrer Familie, was eine echte Spitzentaktik ist. Sie mussten Ihren Teller möglichst schnell leer essen, sich dann ohne Umschweife die Ihrer Geschwister unter den Nagel reißen und deren Essen vernichten - sehr zu deren Verdruss. Ein Klassiker in diesem Zusammenhang ist der Spruch »Das isst du doch bestimmt nicht mehr, oder?«, während man schüchtern auf den Teller zeigt. Das ist eine erstklassige Methode, um einen Finger zu verlieren und den Geschwistern Aufschreie à la »Ich hasse diese Familie. Haut doch alle ab!« zu entlocken. Was für ein Spaß am Tisch! Und währenddessen mahnt die Mutter: »Esst euer Gemüse auf!« Das Problem ist, dass wir unser Gemüse immer brav aufgegessen haben (vielleicht ist es ja in Wahrheit das Gemüse, das fett macht).
Gesellschaftsspiele
Bis zum heutigen Tag hat Laura Probleme damit, Essen zu teilen. Sollten Sie je Gelegenheit zu einer gemeinsamen Mahlzeit mit Laura haben (wozu es höchstwahrscheinlich nicht kommt, weil sie Sie nicht kennt), bitten Sie sie auf keinen Fall, ihr Essen mit Ihnen zu teilen. Sie wird Sie für einen Ihrer Brüder halten und so brutal zurückschlagen, dass Sie nicht wissen werden, wie Ihnen geschieht. Sollte sie beschließen, Ihnen einen Happen ihres vegetarischen Sandwiches mit Mayo und Salat abzugeben, wird sie die Kostbarkeit mit eisernem Griff festhalten und gerade so weit ausstrecken, dass Sie davon abbeißen können. Es ist ihr egal, ob Sie beinahe ihren Finger erwischen. Sie betrachtet das als perfekte Abgrenzung. Chinesisches Essen zu teilen ist in Ordnung, allerdings muss eine klare Trennlinie in der Mitte der Servierplatte gezogen werden, ehe das Gericht zügig aufgeteilt und auf die Teller der Beteiligten gehäuft wird. Dieser Prozess ist mit der Teilung des Roten Meers vergleichbar. Ein kurzer Ausrutscher zu weit auf Lauras Seite, und schon gibt es einen ihrer tödlichen Blicke. Sie wird nicht zulassen, dass man ihr etwas von ihrem Essen wegnimmt, ebenso wenig wird sie sich beim Essen antreiben lassen, und wenn das heißt, dass Sie sich nie wieder mit ihr treffen wollen - auch gut. Sie hat ihr Essen, und das ist das Wichtigste. Hat Laura vielleicht ein Abgrenzungs- oder Kontrollproblem? Ja, ganz eindeutig. Manchmal ist die Aufteilung von Portionen auf Teller das Einzige in ihrem Leben, worüber Laura echte Kontrolle besitzt.
Der Familienkühlschrank
Eine unserer unumstößlichen Theorien ist diese hier: Wenn man eine Frau gefühlsmäßig auftauen will, sollte man ihren Kühlschrank bestücken. Lauras Vater war der beste Mann mit einkäuferischen Fähigkeiten, den sich eine Frau überhaupt nur wünschen kann. Der Kühlschrank ihrer Familie war stets hervorragend ausgestattet. Jede Woche kam ihr Vater mit
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