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Die neue arabische Welt

Die neue arabische Welt

Titel: Die neue arabische Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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verfeindeter Clans oder erpressten sogar Schutzgelder von städtischen Handwerkern.
    Die Probleme nahmen zu, als nach Süleymans Tod 1566 eine Reihe unbegabter Sultane den Thron bestiegen: Selim II. war ein notorischer Trunkenbold, dessen Sohn Murad III. wiederum interessierte sich einzig für seinen Harem und zeugte 103 Nachkommen. Unter Murad nahmen Korruption und Ämterkauf zu. Den explodierenden Staatskosten begegnete er mit einer Halbierung des Silberanteils in den Münzen – und trat damit eine verheerende Inflation los.
    Auch die anfangs prosperierenden Provinzen gerieten nun ins Straucheln. Der Historiker Mustafa Ali war entsetzt, als er 1599 Kairo besuchte – 31 Jahre nachdem ihn die Stadt bei seinem ersten Aufenthalt noch so begeistert hatte. »Kairo wurde von allen chronischen Krankheiten befallen«, schrieb er. Die Stadt habe »Ehrlichkeit und Sittsamkeit vollständig verloren« und gleiche einer »Wüste voller Schlangen und Skorpione«. In 50 Punkten zählte Ali die Missstände auf: das »despotische Verhalten der Gouverneure« und die »Verschwendungssucht« hoher Beamter etwa. Oder das »schamlose Verhalten« ägyptischer Reitertruppen, die sich am Neuj ahrsfest maßlos betrinken – »am Ende widersetzen sie sich ihrem Kommandeur oder beteiligen
sich an einer Rebellion«. Ägypten, so die bittere Bilanz des Chronisten, befinde sich in einem »beklagenswerten Zustand«. Geführt von einer unfähigen Elite, profitiere es nur von der Schwäche seiner Feinde.
    Und die formierten sich zunehmend. Im 17. und 18. Jahrhundert nahm der Einfluss Konstantinopels auf seine arabischen Regionen weiter ab. »Was in den entfernteren Provinzen geschieht, überlässt die Pforte dem Zufall«, berichtete ein französischer Schriftsteller 1783 aus Ägypten. »Sie beschränkt sich darauf, die Streitigkeiten zwischen den Parteien zu schüren, damit keine zu stark wird.« Eine Strategie, die lange gutging, aber die Sultane in falscher Sicherheit wiegte.
    Denn Konstantinopel verpasste die längst überfällige Modernisierung seiner Armee, der es einst seinen kometenhaften Aufstieg zu verdanken hatte. 1623 ging Bagdad zwischenzeitlich wieder an die schiitische Safawiden-Dynastie verloren. Besonders in den unwegsamen Gebirgs- und Wüstenregionen loteten lokale Herrscher nun immer selbstbewusster aus, wie weit sie ihre persönlichen Ambitionen treiben konnten.
    So schuf sich Drusenfürst Fachraddin vom Libanongebirge bis an die Mittelmeerküste Palästinas einen faktisch selbständigen Staat, der eigene politische Beziehungen mit Frankreich aufnahm. Während Fachraddin diese Provokation mit dem Leben bezahlte und 1635 in Konstantinopel hingerichtet wurde, konnten schiitische Gotteskrieger zur selben Zeit im Jemen die osmanische Herrschaft langfristig abschütteln.
    Gleichzeitig geriet das Osmanische Reich in Rückstand zu anderen Großmächten. Während der Orient wirtschaftlich stagnierte, löste die koloniale Expansion der Europäer eine beispiellose wirtschaftliche Dynamik aus. Schon bald nach der ersten Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung 1488
hatten sich die Handelswege zum Nachteil der Osmanen verschoben: Der lukrative Gewürzhandel mit Indien lief nicht mehr ausschließlich über das Rote Meer und Kairo.
    Anfangs konnten die Osmanen die Einbußen durch begehrte neue Luxusgüter wie Kaffee ausgleichen, der aus der jemenitischen Stadt Mokka in alle Welt exportiert wurde. Doch im 18. Jahrhundert setzten die Europäer ihre Wirtschaftsinteressen immer aggressiver durch. Bezeichnenderweise hießen die Handelsprivilegien, die sie dem Osmanischen Reich abrangen, »Kapitulationen«. Europäische Händler überschwemmten die arabischen Märkte mit günstiger Massenware aus ihren Manufakturen, während sie selbst nur Rohstoffe wie Getreide, Baumwolle oder Seide einkauften.
    Dem schleichenden Abstieg folgte 1798 ein Schock: Napoleon landete überraschend in Alexandria, um Großbritannien die Vorherrschaft im Mittelmeer streitig zu machen. Ohne große Verluste eilte die französische Armee von Sieg zu Sieg. Erstmals seit den Kreuzzügen war damit ein christlicher Herrscher in ein arabisches Kernland vorgedrungen, um seine Interessen mit Waffengewalt durchzusetzen. Nun war Konstantinopel zu Reformen bereit.
    Der Sultan setzte dabei auf einen der wenigen, die sich im Kampf gegen die Franzosen ausgezeichnet hatten: den Albaner Mohammed Ali. 1805 wurde er zum Pascha und Vizekönig von Ägypten ernannt. Er stieg schnell zum

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