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Die neue arabische Welt

Die neue arabische Welt

Titel: Die neue arabische Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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und Briten in Syrien entgegen. Gaza und Jaffa nahm er ein, doch als er mit seinen von der Pest geschwächten Truppen an der Eroberung von Akkon scheiterte, machte er sich am 17. August heimlich nach Frankreich davon. Dort putschte er sich im November zur Alleinherrschaft. Französische Generäle hielten die Besatzung in Ägypten noch eine Weile mehr schlecht als recht aufrecht, 1801 gaben sie sich den Briten geschlagen, die mit osmanischen Verbänden ins Land einrückten.
    Beseelt vom eigenen Überlegenheitsgefühl hatte Bonaparte die Gemengelage aus Interessen und Traditionen in Ägypten unterschätzt. Frankreich musste seine Ambitionen im Nahen Osten fürs Erste zügeln. Doch die Expedition an den Nil machte Europa die strategische Bedeutung Ägyptens bewusst und lenkte die kolonialen Gelüste der europäischen Großmächte auf die Region. Auch wenn sich
durch die kurze Besatzung in Ägypten zunächst wenig veränderte, wertet der Nahost-Experte Juan Cole den Orientzug als Beginn einer neuen Epoche – auf beiden Seiten des Mittelmeers: »Bonapartes Expedition war der erste Versuch in der neueren Geschichte, eine orientalische Gesellschaft von Bedeutung in ein europäisches System einzugliedern.« Es blieb nicht der letzte.

»Der Muslim ist nicht fortschrittlich«
    Mit der Besetzung von Algier 1830 begann
Frankreichs Kolonialisierung in Nordafrika. Aus
Arabern und Berbern wollten die Franzosen »moderne
Menschen« machen. Am Ende stand einer der
blutigsten Befreiungskriege des 20. Jahrhunderts.
     
    Von Daniel Steinvorth
     
     
    Man schrieb den 30. Ramadan im Jahre 1242 islamischer Zeitrechnung – den 27. April 1827 anno Domini –, als dem ehrwürdigen Dey von Algier, dem Türken Hussein Pascha, die Nerven durchgingen. Es war der letzte Abend des heiligen islamischen Fastenmonats, und der Statthalter der osmanischen Provinz Algerien hatte alle europäischen Gesandten zu einem prunkvollen Empfang in seine Residenz geladen. Auch Pierre Deval, der Generalkonsul Frankreichs, sollte kommen. Mit ihm hatte Hussein eine monetäre Angelegenheit von äußerster Dringlichkeit zu besprechen.
    Es ging um die stattliche Summe von einer Million Francs, die Frankreich dem osmanischen Vasallenstaat zurückzahlen sollte. Kein Geringerer als Napoleon Bonaparte hatte für den Italienfeldzug 1796 Getreidelieferungen von einem jüdisch-algerischen Handelshaus bezogen – ohne je dafür zu zahlen. Oberster Gläubiger der Algerier war der Dey von Algier. Er forderte sein Geld zurück und schrieb einen Brief an den französischen König, doch eine Antwort blieb aus. Nun wollte Hussein Pascha den Konsul zur Rede stellen.
    Deval, ein erfahrener Diplomat, war durch einen längeren Aufenthalt in Konstantinopel der türkischen Sprache
mächtig. Doch was der Franzose zu sagen hatte, konnte den stolzen Dey schwerlich besänftigen. Weder der König noch die Regierung von Frankreich, so Deval, werde auf einen Brief aus Algier antworten, solange die Sache für sie nicht von Nutzen sei.
    Ein ungeheuerlicher Affront für den osmanischen Statthalter, der dem Konsul daraufhin drei Schläge mit einem Fliegenwedel versetzte und ihn aus seiner Residenz verwies. Eine »Beleidigung, die alle erträglichen Grenzen überschritt«, sei der Auftritt des frechen Franzosen gewesen, schrieb Hussein später an den osmanischen Großwesir in Konstantinopel. »Er hat es gewagt, die muslimische Religion zu schmähen und die Ehre Eurer Majestät zu missachten. « Aber auch Deval sah in dem Vorfall einen Ehrverlust seines Landes. Gekränkt berichtete er dem französischen Außenminister: »Wenn Eure Exzellenz nicht wünscht, dass diese Affäre die ernste Aufmerksamkeit erfährt, die sie verdient, so sollte mir wenigstens gestattet sein, mit Verlaub in den Ruhestand zu treten.«
    Drei Jahre sollten vergehen, bis Frankreich eine »angemessene« Antwort auf die Schmähung fand. Zunächst hatte Paris Hussein aufgefordert, eine Salutsalve zu Ehren der französischen Flagge abzufeuern. Als er sich weigerte, blockierte man den Hafen von Algier – eine Maßnahme, die jedoch weniger den Algeriern als vielmehr den eigenen Händlern schadete. Schließlich, im Juni 1830, ordnete die Regierung von König Karl X. einen finalen Militärschlag an. Es war der Startschuss für die Besetzung Algiers und weiter Teile Nordafrikas, die 132 Jahre andauern sollte. Es war der Beginn des französischen Kolonialismus in Arabien.
    Dabei hatte Karl, der Bourbonenkönig, schon genügend Probleme

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