Die neue arabische Welt
zeitgenössische Historiker Abd al-Rahman al-Gabarti. Als wenige Tage später der große französische Triumphbogen einstürzte, vermerkte er erleichtert: »Die Menschen sahen das als gutes Omen an.«
Es lief nicht gut für Frankreich in Ägypten, obwohl die Nation Stärke demonstrierte wie nie zuvor außerhalb Europas: Mit 38 000 Soldaten war Bonaparte im Frühjahr 1798 von Toulon nach Ägypten übergesetzt, wollte das Land rasch einnehmen, um Frankreich den Handelsweg über das Rote Meer nach Indien zu öffnen. Dieser geopolitische Schachzug sollte Großbritannien einen schweren Schlag versetzen, denn die Großmacht kontrollierte die einträgliche Indienroute um Afrika herum. Am Nil und in Indien wollte Bonaparte französische Kolonien gründen, als Ersatz für verlorenen Überseebesitz in Amerika. Und weil man sich nach der Revolution von 1789 auch im Krieg ganz aufgeklärt gab, schrieb sich der 28-jährige General den Export der brandneuen westlichen Werte »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« auf die Fahnen. Er sah Ägypten als Wiege der Zivilisation, heruntergewirtschaftet durch die mamlukische Militärelite, welche die Provinz des Osmanischen Reichs regierte. Frankreich, so sein selbstherrlicher Plan, werde das Land wieder zivilisieren. Deshalb waren Wissenschaftler, Ingenieure und Künstler beim Feldzug dabei, um die Ägypter mit ihren Fähigkeiten zu beeindrucken, beim Aufbau einer Kolonie zu helfen und zu forschen.
Die Realität am Nil allerdings hatte mit Bonapartes Vorstellungen wenig gemeinsam: Die Einheimischen begrüßten die Franzosen nicht, wie erhofft, als Befreier von den Mamluken und ihren hohen Steuern, sondern leisteten
Widerstand. Das Osmanische Reich, eigentlich Frankreichs Verbündeter, war über den Einmarsch in seine Provinz irritiert und erklärte den Krieg – zu fadenscheinig war Bonapartes Beteuerung, er wolle doch nur die Ordnung in dem von Hungersnöten und Machtkämpfen geschüttelten Land wiederherstellen. Am härtesten aber traf den ehrgeizigen Feldherrn, dass der britische Admiral Nelson die französische Flotte im August 1798 vor der Hafenstadt Abukir vernichtend schlug: Mit seiner Seeblockade schnitt Nelson den Franzosen Rückzug wie Nachschub ab.
Gerade noch hatte Bonaparte Schauspieler, Tänzerinnen und Schnapsbrenner in Paris geordert, jetzt jedoch musste er ohne Hilfe aus der Heimat eine Kolonie errichten. Mit Propaganda wie dem Fest auf dem Asbakija-Platz buhlte der General um die Sympathie der Ägypter, präsentierte sich gar als Freund des Islam. Die Religion sollte ihm helfen, das Land zu regieren, deshalb berief er Gelehrte der traditionsreichen Azhar-Universität in den »Diwan«, den Rat, der an der Spitze der ägyptischen Verwaltung stehen sollte. Dass die Ratsherren allerdings eine Schärpe und eine Kokarde in den französischen Farben tragen sollten, behagte ihnen ebenso wenig wie die freigeistigen Äußerungen Bonapartes, der erklärte, die christlichen Dogmen lehne er ab. Zwar boten die Gelehrten den Franzosen schließlich an, sie als Herrscher über Ägypten zu akzeptieren, wenn sie zum Islam konvertierten – doch Bonaparte mochte seinen Soldaten Beschneidung und Alkoholverbot nicht zumuten.
Erstmals seit den Kreuzzügen trafen Europa und die arabische Welt so massiv aufeinander, erstmals wurden beiden Seiten die kulturellen und sozialen Unterschiede bewusst; Missverständnisse belasteten das Verhältnis. Rückständig und unzivilisiert fanden die Franzosen die Ägypter, verrückt und unzivilisiert fanden die Ägypter die
Franzosen: »Wenn einen Franzosen die Natur überkommt, erledigt er sein Geschäft, wo immer er gerade ist, sogar wenn ihn andere sehen – und danach geht er einfach weg, ohne sich die Hände zu waschen. Wenn er ein Mann mit Geschmack und Kultiviertheit ist, wischt er sich den Hintern mit irgendetwas ab, das er gerade findet, sogar mit beschriebenem Papier«, wetterte der Historiker Gabarti. Immerhin, die Rechtsprechung der Franzosen begeisterte ihn, ebenso Technik und Wissenschaft. Und die militärische Überlegenheit über die ägyptisch-mamlukischen Reiterheere war allzu offensichtlich.
Doch sie nutzte ihnen letztlich nichts, richtig Fuß fassen konnten die Franzosen in Ägypten nicht, nur in Kairo und im Nildelta sicherten sie ihre Herrschaft einigermaßen – durch harte Strafmaßnahmen gegen Aufständische, die den aufklärerischen Idealen hohnsprachen. 1799 versuchte Bonaparte, eine Blamage noch einmal abzuwenden, zog Osmanen
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