Die neue arabische Welt
Herrn Cohen statt seiner als Großgrundbesitzer einzusetzen.« Doch nicht zufällig nannte er den Araber »Mohammed« und den jüdischen Siedler »Herrn Cohen«. »Der Araber ist primitiv«, befand Weizmann: »Es besteht ein wesentlicher Qualitätsunterschied zwischen dem Juden und dem Einheimischen. « Bis heute glaubt so mancher, alles wäre anders verlaufen, wenn die ersten Zionisten nur so klug gewesen wären, die Kultur der Araber zu respektieren, statt sich für etwas Besseres zu halten.
Tom Segev
Der 1945 in Israel geborene Historiker und Publizist ist Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Israels. Derzeit arbeitet er an einer Biografie des Staatsgründers David Ben-Gurion.
Das ist nicht das einzige »Wenn« in der Geschichte dieses langwierigen Konflikts. Historiker und auch einige israelische Politiker diskutieren immer wieder die Frage, wo und wann die Zionisten Gelegenheiten zu einer friedlichen Koexistenz mit der arabischen Bevölkerung im Land verpasst haben, was man für den Frieden hätte tun müssen. Auch auf arabischer Seite werden Versäumnisse erörtert, aber vorwiegend unter dem Aspekt, was man hätte tun können und müssen, um den Staat Israel zu verhindern. Die Palästinenser glauben, mit einigem Recht, die arabischen Staaten hätten sie nicht genug unterstützt.
Allerdings gibt es sehr früh Anhaltspunkte dafür, dass die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina kaum ohne arabischen Widerstand hätte ablaufen können. Schon 1899 ließ der arabische Bürgermeister von Jerusalem Theodor Herzl bestellen, dass die Araber Palästinas den Zionismus ablehnten: »Die Welt ist groß genug, es gibt noch mehr dünn besiedelte Länder, in denen man Millionen armer Juden ansiedeln kann ... Lasst in Gottes Namen Palästina in Ruhe!«, schrieb Jussuf Dija al-Chalidi.
Ein Jahr vor Ben-Gurions Ankunft im Land Israel erschien in Paris das Buch eines osmanischen Beamten in Jerusalem, Nadschib Asuri. Mit dem Erwachen des jüdischen Volkes im Zionismus erwache auch die arabische Nationalbewegung, schrieb er hellsichtig, die beiden Bewegungen würden sich in ewigem Krieg befehden, bis die eine über die andere siege. So bahnte sich der Konflikt schon Ende des 19. Jahrhunderts an.
1917 eroberte Großbritannien Palästina von den Türken, die es 500 Jahre lang regiert hatten, und erklärte sich einverstanden mit den zionistischen Bestrebungen, in Palästina
»eine Heimstätte des jüdischen Volkes« zu errichten. Gleich darauf beschwerten sich die Araber: Sie seien von den Briten hintergangen worden; bevor sie das Land den Zionisten versprachen, hätten sie es ihnen, den Arabern, zugesichert. Ob das so zutrifft, bleibt auch in jüngsten Studien dazu offen.
Hätte alles anders kommen können? Wenn Deutsche und Türken den Ersten Weltkrieg gewonnen hätten; wenn der Völkerbund das Mandat über Palästina nicht Großbritannien, sondern den Vereinigten Staaten übertragen hätte (ein entsprechender Antrag lag vor); wenn die Wirtschaftslage der polnischen Juden in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre nicht so schlecht geworden wäre, dass sie massenweise ihr Land verließen und nach Palästina übersiedelten; wenn sie in die USA hätten immigrieren dürfen; wenn die Nazis die Juden nicht aus Deutschland hinausgedrängt hätten oder mehr von ihnen in andere Länder als Palästina hätten auswandern können; wenn es Erwin Rommel gelungen wäre, die britischen Linien bei El-Alamein zu durchbrechen und Palästina einzunehmen – die Nazis wollten die Juden dort ebenso vernichten wie die Juden Europas. Und ja, wenn die Briten die Zionisten nicht bei ihren Vorbereitungen für die Gründung des Staates Israel unterstützt hätten?
Auch die Israelis haben in ihrer Geschichte einigen Anlass zu kritischen Fragen: Wenn die Zionisten nicht darauf bestanden hätten, möglichst viele Juden für die Landwirtschaft auszubilden und dafür arabische Böden in Besitz zu bringen, sondern die Einwanderer lieber in die Städte geschickt hätten; wenn sie sich mehr auf die orientalischen Juden gestützt und ihre Vertrautheit mit der arabischen Kultur genutzt hätten, statt europäische Juden den Lauf der Geschichte bestimmen zu lassen; wenn sie auf
die jüdische Souveränität verzichtet und ein binationales Staatsgebilde, für Juden und Araber gemeinsam, im Land errichtet hätten.
Dieses Modell wird noch heute gelegentlich propagiert. Dabei hatte es nie eine Chance, aus dem einfachen Grund, dass die meisten Juden nicht
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