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Die neue arabische Welt

Die neue arabische Welt

Titel: Die neue arabische Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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Nachfrage der Konsumenten, sondern auch die mangelnde Förderdisziplin der Produzenten.
    Sie waren gefangen im klassischen Dilemma: Wenn alle an einem Strang ziehen, können sie die Notierungen beeinflussen; schert aber auch nur einer aus, brechen die Preise
ein, und alle leiden darunter. Genau das passierte, immer wieder. Irgendeiner der Produzentenstaaten erlag der Versuchung, den schnellen Dollar verdienen zu wollen.
    Gerade die kleineren Exporteure neigten dazu, den Hahn weiter aufzudrehen, als es abgesprochen war. Saudi-Arabien glich dann seinerseits das Überangebot aus, indem es die Produktion drosselte. Irgendwann aber war Ölminister Jamani nicht mehr gewillt, den sogenannten Swing-Producer zu spielen und stillschweigend den Preis für die notorischen Betrüger zu zahlen. Am 13. September 1985 ließ er die Förderung sprunghaft erhöhen. Der Ölpreis kollabierte, Länder wie Libyen oder Algerien sahen ihre Einnahmen innerhalb eines Jahres mehr als halbiert.
    Das Vorgehen Saudi-Arabiens macht deutlich, wie schwer es den Förderländern fällt, gemeinsam zu handeln. Bis heute hat sich daran nichts geändert, nach wie vor ist ihr Verhältnis zueinander geprägt von Misstrauen und Neid. Sie mögen zwar dieselbe Sprache sprechen und derselben Religion angehören, doch ansonsten sind die Gemeinsamkeiten rar. Am deutlichsten scheiden sich die Geister an der Frage, wie man es mit den Vereinigten Staaten hält.
    Saudi-Arabien hat sich früh entschieden. Das Königreich steht an der Seite der Amerikaner, seit Präsident Roosevelt gegen Ende des Zweiten Weltkrieges an Bord der USS »Quincy« mit König Saud zusammentraf und die beiden sich glänzend verstanden; der König bezeichnete den Präsidenten gar als Zwillingsbruder. Diese Allianz machte das Königreich von Anfang an hochgradig verdächtig, vor allem bei Libyern, Algeriern und bis zum Sturz von Saddam Hussein auch bei den Irakern. Sie halten die Saudis für Lakaien der USA. »Die Prinzen in Saudi-Arabien und Kuwait sollen sich vorsehen«, warnte Saddam einmal die Herrscher in Riad und Kuwait City bei einem Fernsehauftritt:
»Ihren Verrat am gemeinsamen Anliegen der Araber und ihre niederträchtige Zusammenarbeit mit den Amerikanern werden sie noch bereuen.« Es ist ein fragiles Geflecht, das die arabischen Akteure im internationalen Ölgeschäft zusammenhält. Alle ihre Volkswirtschaften sind ausgesprochen krisenanfällig, da sie von den Exporteinnahmen aus dem Rohstoffgeschäft abhängen. In Saudi-Arabien beträgt der Anteil 85 Prozent, in Kuwait 95 und in Algerien sogar 98 Prozent. Das ist bequem. Und es macht bequem.
    Den Regimen mangelt es an jeglichem Veränderungswillen. Sie geben viel für Militär und Sicherheit aus, aber wenig für Forschung und Investitionen oder gar die Bildung der Bürger. Ihre Verwaltung ist ineffizient und korrupt. Ihre Industrie, sofern überhaupt vorhanden, beschränkt sich auf den petrochemischen Sektor: Außer Ölprodukten ist kaum eine andere Ware exportfähig. Weitsichtig und verantwortlich zu handeln ist schon gar nicht ihre Sache. Ansonsten wäre ihnen bewusst, dass der Verkauf von Öl letztlich dazu führt, dass der Klimawandel voranschreitet und die Meeresspiegel steigen: keine gute Nachricht für Küstenstädte wie Algier, Tripolis oder Abu Dhabi.
    Es sind »Rentenstaaten«, wie die Ökonomen sagen: Sie leben von der Substanz. Ihnen fehlt der Druck, sich anzustrengen, sich fortzuentwickeln. Sie brauchen sich um ihr Auskommen nicht zu scheren, zumindest solange die Preise stimmen. Die Drecksarbeit machen andere: Millionen von Indern, Filipinos oder Afrikanern, die befristet ins jeweilige Land gelassen werden.
    Sollte die eigene Bevölkerung doch einmal aufbegehren, dann erkaufen sich die Machthaber ihre Gunst. Sie gewähren freie Krankenversorgung, sie subventionieren Löhne und Lebensmittel, die Wasserversorgung, sogar Kraftstoff: In Saudi-Arabien kostet der Liter Benzin knapp zehn Cent.
Seit Beginn des arabischen Aufruhrs versuchen die Regierungen mit immer neuen, teuren Versprechen den Unmut der Bürger zu kanalisieren und den Freiheitswillen zu unterdrücken. Kuwait geht so weit, seinen Bürgern für ein gutes Jahr die Grundnahrungsmittel ganz zu spendieren, ausgenommen natürlich den Gastarbeitern. Und Saudi-Arabien hat angekündigt, 129 Milliarden Dollar auszugeben, um seine Bevölkerung bei Laune zu halten: für mehr staatliche Jobs und billigere Wohnungen. Bei dreistelligen Ölnotierungen kann sich das

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