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Die neue arabische Welt

Die neue arabische Welt

Titel: Die neue arabische Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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aller Welt würden Menschen in die Hotels, Museen, Freizeitparks am Golf kommen. Und überall würden Bäume ihnen Schatten spenden.
    Knapp sieben Jahre nach dem Tod von Scheich Sajid sieht es ganz so aus, als könnte er seine Wette gewinnen. Die Vereinigten Emirate sind seit den Zeiten des legendären arabischen Forschungsreisenden Ibn Battuta die erste gute Botschaft gewesen, die aus der arabischen Welt ans Ohr des Westens drang.
    »Dubai« ist eine Marke geworden. In Ostafrika und Zentralasien ist von »Dubaization« oder »Gulfization« die Rede, wenn es darum geht, auf nacktem Boden Stadtlandschaften zu errichten aus pseudotraditioneller Copy & Paste-Architektur, bewachten und bewässerten Freizeitparks und möglichst spektakulären Bauten als Wahrzeichen. »Bingo Urbanismus« nennt es der dänische Stadtplaner Boris Brorman Jensen.
    Die Golfstaaten mögen langweilig sein und satt. Aber an keinem anderen Fleck Arabiens lässt es sich so komfortabel und westlich leben wie in Abu Dhabi und Dubai, wie in Katar. Der Islam bleibt großteils Privatsache, nicht jeder Ausländer wird unter den Generalverdacht des Kreuzfahrertums gestellt. »Steuern« ist ein Begriff aus dem Yachtclub, nicht aus der Ökonomie. Und wer geht schon auf die Straße, um gegen eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt zu protestieren?
    Dubai ist die erste Post-Petrol-Ökonomie Arabiens geworden. 95 Prozent seiner Einkünfte kommen aus dem Hafen, von Finanzdienstleistungen, Industrie, Tourismus und sonstigen Aktivitäten, die man in einem Wüstenstaat nicht vermuten würde; nicht aber aus dem Export von Öl oder Gas.

    Nahezu alle Weltkonzerne haben ihre Zentralen für den Mittleren Osten in Dubai, Bahrain oder Katar angesiedelt. Staaten mit null Toleranz gegenüber Korruption und Verwaltungen, die es an Effizienz mit den meisten EU-Ländern aufnehmen können. Es genügt, sich die Nachbarn anzuschauen. Den Gottesstaat Iran im Norden, das Wahhabiten-Regime der Saudis im Westen, der zerrissene Jemen im Süden. In dieser Landschaft fällt es nicht schwer, die Moderne zu besetzen.
    Derzeit sind die Scheichtümer dabei, die politische Führung in der arabischen Welt zu übernehmen, zusammen mit dem neuen Ägypten und Saudi-Arabien. Der Flughafen Jebel Ali von Dubai wird gerade zum größten Gebäude der Welt ausgebaut. Es gibt Klassikfestivals, Formel-1-Rennen, Nachtclubs und Golfanlagen, die so grün sind wie die in den schottischen Highlands.
    Aber überall schaut dieser 16-Millimeter-Schlauch hervor. Wie eine allgegenwärtige Erinnerung, dass es sich bei all dem Glanz um eine Wette auf die Zukunft handelt. Eine Wette, die schicksalhaft ist für die arabische Welt, und deren Ausgang immer noch völlig offen ist.
    Die Emirate liegen an einer der unwirtlichsten Ecken einer unwirtlichen Halbinsel. Selbst an der Küste ist es schwer, Land von Wasser zu unterscheiden, salzverkrustetes Ödland zieht sich weit ins Innere, der Persische Golf ist hier weitgehend ein dunstiges Einerlei von Sandbänken und Mangrovenwäldern. Jahrhundertelang, bis zur Entdeckung des Öls, blieb die Bevölkerung aus Perlentauchern, Fischern, Händlern und Piraten stabil. Das Land war nicht zum Leben gemacht. »Wer sich hier durchschlug, der gehörte, noch bis vor 50 Jahren, zu den am wenigsten entwickelten Gesellschaften des Planeten«, schreibt Jim Krane in seiner Stadtbiografie von Dubai.

    Geschichte passierte woanders. Nicht hier, wo die geduckten Gebäude im Sand kaum zu erkennen waren. Die erste und lange auch einzige Glühbirne wurde 1961 im Haus des Herrschers angeknipst. Aber auch dort gab es damals keine Toiletten und kein fließend Wasser.
    Innerhalb einer Generation hat diese Gesellschaft den Sprung vom Fladenbrot zum Sushi-Dinner gemacht, vom Analphabetismus zum Harvard-Ph.D. Vom Kamel zum Maserati. Von der Lehmhütte zum höchsten Wolkenkratzer, der je gebaut wurde. Vom nackten Überleben zum Leben in Opulenz.
    Ein höherer Beamter im Außenministerium erzählt wie selbstverständlich, dass sein Vater sein Brot als Pirat verdiente. Bis in die Fußnägel gestylte Marketing-Direktricen berichten, wie ihre Großväter den Bauch eines Kamels aufschlitzten, wenn sie am Verdursten waren. Die Herrscher Dubais sind stolz auf ihre beduinischen Väter und Großväter. Ihre Urbanität ist erst jüngsten Datums. »Die Golfstaaten sind neo-patrimoniale, autoritäre bürokratische Monarchien«, sagt der Frankfurter Humangeograf Christian Steiner. Es gibt keinerlei

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