Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
stille Bibelzitat religiöses Gewicht verleihen.
»Ich weiß, du bist ein gelehrter Mann«, fuhr der Hexenjäger fort. »Und ich glaube, du bist klug genug zu begreifen, welch günstiges Angebot ich dir machen will.«
Hier horchte Faustus auf, doch er tat es insgeheim, ohne Asendorf den Triumph seiner Aufmerksamkeit zu gönnen. Schweigend harrte er allem weiteren.
»Du hast gesehen, was auf dem Schloßplatz geschehen ist«, sagte der Inquisitor. »Ich weiß, daß manch einer glaubt, du selbst stecktest hinter dem feigen Anschlag auf das Haus Gottes und das Leben des armen Priesters«, – demütig schlug er ein Kreuzzeichen –, »doch ich glaube nicht daran. Man mag dir vieles vorwerfen können, Faustus, doch Rachsucht an einem Unschuldigen gehört meines Erachtens nicht dazu. Ich bin nicht sicher, weshalb man dich trotzdem aus deiner mißlichen Lage befreit hat, doch damit mag ich mich später beschäftigen. Jetzt geht es mir um etwas anderes.«
Faustus begann zu ahnen, daß die Ereignisse vielleicht noch eine Wende zum Besseren nehmen mochten, vielleicht Kerkerhaft statt Feuertod. Doch was Asendorf dann sagte, übertraf seine kühnsten Erwartungen:
»Ich werde dich freilassen.«
Faustus schenkte ihm einen zweifelnden Blick und sprach zum ersten Mal, seit ihn die Soldaten hierhergebracht hatten. »Aus welchem Grund solltet Ihr das tun?«
Der Inquisitor verzog das Gesicht zu einem gequälten Grinsen. »Oh, glaube ja nicht, daß mir diese Entscheidung leichtfällt. Und sei versichert, keinesfalls bewahrt sie dich vor weiterer Verfolgung durch die Heilige Inquisition. Im Gegenteil: Hast du erst erreicht, was ich von dir verlange, werde ich meine Anstrengungen, deiner habhaft zu werden, vervielfachen. Ich jage dich bis ans Ende der Welt, wenn es sein muß, und ich schwöre dir hier, im Angesicht des Herrn, daß du brennen wirst, Faustus. Du wirst brennen.«
Er seufzte tief und preßte sein Kinn mit Daumen und Zeigefinger so fest zusammen, daß jede Farbe daraus entwich. »Doch bis dahin verlange ich deine Unterstützung. Ich will wissen, wer das Feuer in der Kirche gelegt hat, bei dem der Priester ums Leben kam. Und du bist der Mann, der mir seine Mörder ausliefern wird.«
Faustus schwieg, während der Bibelzwerg mit seiner lautlosen Lesung fortfuhr.
»Du kennst dich aus in Ketzerkreisen«, fuhr Asendorf fort. »Es wird dir nicht schwerfallen, herauszufinden, wer hinter dem Anschlag steckt. Ich will alles von dir: Namen, Gründe, Verbindungen zu anderen häretischen Zirkeln. Alles, verstehst du?«
»Ich kann Euch nicht helfen«, widersprach Faustus ruhig. Selbst wenn er gewollt hätte – und davon war er weit entfernt –, er wußte nicht, wie er das Gewünschte erfahren sollte. Und keinesfalls würde er irgend jemanden an die Inquisition ausliefern, ganz gleich, welches Verbrechen er begangen hatte.
Asendorf schüttelte unwillig den Kopf. »Ich könnte dir drohen, Faustus. Ich könnte dir erklären, was meine Leute mit dir anstellen werden, wenn du nicht tust, was ich verlange. Doch ich weiß, wie wenig ich dich mit Worten beeindrucken kann. Deshalb werde ich zu einem anderen Mittel greifen, dich zu überzeugen. Sag mir, Faustus, wo ist der Hund, an dem dein Herz so hängt?«
Faustus stand da wie vom Blitz getroffen. Er gab sich Mühe, weiterhin unbeteiligt und gleichgültig zu erscheinen, doch dem Hexenjäger konnte nicht entgangen sein, wie seine Züge bei der Erwähnung Mephistos gefroren. Faustus hatte geglaubt, der Hund sei davongelaufen, als Asendorfs Schergen ihn festnahmen.
Der Inquisitor brachte das erste ehrliche Lächeln zustande. »Nun, du kannst es dir denken, nicht wahr? Um ehrlich zu sein, meine Leute wollten die Bestie erschlagen – sie hat einigen von ihnen böse Bißwunden zugefügt –, doch es gelang mir, sie davon abhalten. Und als ob das nicht Grund genug wäre, mir dankbar zu sein, will ich dir das Tier sogar zurückgeben – sobald du mir alle Namen nennst! Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Doktor Faustus?«
Faustus gab keine Antwort. Asendorfs Drohung mochte auf ihre Weise lächerlich erscheinen. Ein Hund im Tausch gegen Menschenleben – die Entscheidung sollte so schwer nicht fallen. Doch mit Mephisto hatte es auf vielerlei Art besondere Bewandtnis (von der Ihr, geduldiger Leser, später mehr erfahren sollt).
»Du wirst herausfinden, wer hinter dem Tod des Priesters steckt«, sagte Asendorf scharf und beugte sich vor. Dabei stieß seine Hand gegen den Kopf des
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