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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Hölle, jetzt wollte ich wissen, was Mephisto dem Meister zu sagen hatte! Was wusste der Teufelshund, das wir nicht wussten?
    Ging es vielleicht um Angelina?
    Ich musste sie finden! Jetzt gleich! Ungeachtet aller Vorsicht schob ich mich rasch wieder die Schräge hinauf und stieg durch die Luke auf die Leiter. Ich erkannte noch, dass Faustus sich nach wie vor nicht rührte, dann ließ ich mich fallen und landete mit einem dumpfen Laut auf dem Strohbelag des Dachbodens. Eilig lief ich an den wehenden Laken der Schlafkammern vorüber und sprang die Treppen hinunter. In unserem Zimmer gürtete ich atemlos mein Schwert, dann rannte ich ins Freie. Von der Gasthoftür aus konnte ich den Torbogen des Innenhofs nicht sehen, er lag um die Ecke herum auf der anderen Seite des Gebäudes. Ich war recht froh, Mephisto nicht über den Weg laufen zu müssen – und sagte mir zugleich, dass niemand ihm rein zufällig begegnete. Was immer im Körper dieses Hundes hauste, es war kein animalischer Geist. Das war mir spätestens seit jenem Augenblick klar, als Angelina und ich auch in Begleitung des Traumvaters eine solche Kreatur entdeckt hatten.
    Ich schauderte, als mir Bilder eines schwarzen Schakalschädels durch den Kopf geisterten, gefletschte Kiefer eines Gottes auf den Schultern eines Menschen, die Barke der Toten und die Finsternis in den bodenlosen Schächten ägyptischer Beinkammern. Für wenige Herzschläge glaubte ich zu spüren, wie mich die unvorstellbare Stille dieser Orte übermannte, sich in mir ausbreitete, mich von innen verschlang.
    Dann nahm ich all meine Sinne zusammen und stand wieder inmitten des Gassentreibens im Borgo Leonino, fern aller Wüstenmystik und jahrtausendealter Schrecken.
    Ein Mann blieb vor mir stehen, gekleidet in die weißen Gewänder eines Predigers mit hochgeschlagener Kapuze. Mit beiden Händen streckte er mir ein Kreuz entgegen, so flehentlich, als sähe er etwas in mir, das es auszutreiben gelte. Ich öffnete den Mund, um ihn davonzujagen, doch im selben Augenblick fuhr der Mann herum und tauchte mit verzerrtem Gesicht in der Menge unter. Von einem Moment zum nächsten war er wie vom Erdboden verschluckt.
    Ich hatte keine Zeit, ihm zu folgen oder auch nur allzu lange über die sonderbare Begegnung nachzudenken. Angelinas Wohlergehen war wichtiger als meine Neugier. Ich wandte mich nach rechts, lief bis zum Ende der Gasse und entdeckte dort einen Verkäufer, der aus einem Bauchladen süßes Gebäck anbot.
    »Eine Auskunft, Herr«, bat ich. »Habt Ihr vielleicht ein Mädchen gesehen mit einer Ledermaske über dem Kopf?«
    Er schüttelte den Kopf und sagte etwas auf Italienisch, das ich nicht verstand.
    Ich ließ ihn stehen und lief weiter. Auch der nächste Mann verstand mich nicht. Ich versuchte es bei einer Konkubine, doch sie ging gar nicht erst auf meine Frage ein, sondern wollte gleich zum Geschäft kommen.
    Niedergeschlagen eilte ich Richtung Bauplatz, zum einen, weil dies der einzige Weg war, den ich kannte, aber auch, weil ich befürchtete, es könne Angelina zurück zu dem Ort ziehen, an dem sie aufgewachsen war. Bislang war ich davon ausgegangen, dass die Borgia-Engel in den unterirdischen Hallen des Vatikans gefangen gehalten wurden. Doch die abendliche Begegnung mit den beiden Eluciderii am Rand der Leichengrube hatte mich eines Besseren belehrt. Offenbar gewährte man den Engelskriegern sehr wohl den Zutritt zur Oberwelt, nachts, wenn die Dunkelheit ihre katzenhaften Bewegungen noch unheimlicher erscheinen ließ und die Menschen von ihnen fern hielt.
    Was aber trieb Angelina zurück zum Vatikan? Sie hatte ihre Entscheidung getroffen und sich gegen die Borgia-Engel gewandt. Warum nun diese verstohlene Heimkehr, mitten in der Nacht?
    Ich erreichte die Ausläufer des Bauplatzes. Die Arbeiten waren zu so später Stunde weitgehend eingestellt worden, nur ein paar allzu Emsige hämmerten und schmiedeten noch in den Bauhütten. Die übrigen Männer hatten sich entweder in ihre Quartiere zurückgezogen oder saßen um ein Dutzend flackernder Feuer am Rande des Platzes. Bier schäumte aus großen Fässern, und manch einer grölte wirren Unfug. Weiter hinten in den Schatten standen Schweizer Gardisten und beobachteten das Treiben an den Feuern argwöhnisch. Ein falsches Wort oder der Hauch eines Zwischenfalls, und die Versammlung würde aufgelöst.
    Ich stahl mich an einem der Wachtposten vorbei, umrundete die Feuer und glaubte mich schon sicher auf der anderen Seite der Menge angekommen,

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