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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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bedeutete.
    Ich zog mein Schwert und trat in die Mitte des Mauerspalts.
    »He da!«, rief ich laut ins Innere des zerstörten Kirchenschiffs. Meine Stimme hallte verzerrt von den Wänden wider.
    Und noch einmal: »He da!«
    Angelina erwachte zwischen den Säulen aus ihrer erstarrten Andacht und blickte zu mir herüber. Ich hätte gerne ein letztes Mal in das ozeanische Blau ihrer Augen geschaut, ein letztes Mal ihre Hand berührt.
    Zugleich aber ertönte von mehreren Seiten ein unmerkliches Flattern wie von Tauben in einem Kirchturm, irgendwo hoch oben, verborgen im Gebälk. Sie kamen!
    Es waren drei, die sich in Bewegung setzten, an den Gerüsten herabglitten wie Schatten von Nachtvögeln. Ich schnappte nach Luft, dann warf ich mich herum und hastete davon, fort von dem Mauerspalt, hinaus ins Freie und in den Schutz zweier Bauhütten, die so eng beieinander standen, dass nur ein einzelner Mensch zwischen ihnen hindurchpasste. Die Schneise zwischen den Holzwänden war mehr als fünfzehn Schritte lang. Ich fühlte mehr, als dass ich es sah, wie meine Gegner die Verfolgung aufnahmen. Sie riefen mir nicht hinterher, forderten mich nicht zur Aufgabe auf. Vermutlich wussten sie, wer ich war. Sie hatten klare Anweisungen, wie mit Faustus und seinem Gefolge zu verfahren war. Falls sie mich nicht gleich erschlugen, würden sie mich in irgendein Kerkerloch werfen.
    Meine Verfolger waren zu dritt. Das bedeutete, dass Angelina es mit mindestens zwei weiteren von ihnen zu tun hatte, wahrscheinlich aber mit mehr. Sie aber war eine Kämpferin, die ihren Gegnern ebenbürtig war, während ich nur überleben konnte, indem ich mich versteckte oder sonstwie einem Kampf aus dem Weg ging.
    Ich erreichte das Ende der Schneise und sah, dass rechts von mir ein halbes Dutzend Balken an der Wand der Bauhütte lehnte. Ich gab ihnen mit aller Kraft einen Stoß, der sie mit lautem Gepolter umstürzen ließ. Sie fielen genau vor die Schneise. Hoffentlich würden sie die Engelskrieger eine Weile aufhalten.
    Ich wartete nicht ab, was geschah, sondern rannte weiter, schlug einen Haken um einen Hügel aus Bruchstein und stolperte dahinter beinahe über weitere Balken, die achtlos verstreut am Boden lagen. Hastig balancierte ich darüber hinweg, um gleich dahinter wieder schneller zu werden.
    Die Außenmauer der Basilikaruine war jetzt rechts von mir. Ganz in der Nähe war der Arbeiter von dem Steinblock erschlagen worden. Bevor ich die Stelle erreichen konnte, bog ich nach links und hetzte in südlicher Richtung zwischen den Hütten und Hügeln dahin. Jeden Augenblick fürchtete ich auf eine Gardistenpatrouille zu stoßen, doch noch blieb das Glück mir hold.
    Glück! Von wegen! Hinter meinem Rücken ertönte ein Flattern, dann sauste eine Klinge über mich hinweg, verfehlte meinen Schädel nur um Fingerbreite. Ich blickte über die Schulter zurück und sah einen Borgia-Engel mit wehendem Gewand. Seine Kapuze war zurückgeglitten und enthüllte sein helles Gesicht und das weißblonde Haar. Er war hager, die Wangenknochen spitz, und seine Augen leuchteten im gleichen Blau wie die Angelinas. Er hätte in der Tat ihr Bruder sein können.
    Ich blieb nicht stehen. Mich auf ein Gefecht mit ihm einzulassen war aussichtslos. Er würde mich innerhalb weniger Herzschläge töten. Ich war ein guter Fechter, gewiss, nicht ungeschickt im Umgang mit Klingen aller Art – doch einem der Eluciderii war ich nicht gewachsen.
    Eine Grube rettete mir das Leben. Ich sah sie im letzten Moment und sprang darüber hinweg, während der Engel, der schon für seinen nächsten Schwerthieb zielte, mit dem rechten Bein ins Leere trat und bis zu den Hüften im Boden verschwand. Seine eigene Geschwindigkeit ließ ihn vornüber taumeln, er verhedderte sich in seinem Gewand und stürzte. Geschickt fing er sich mit der Linken ab.
    Ich verlor ihn aus den Augen, als ich um einen mannshohen Stapel von Holzbohlen bog und keuchend nach Westen lief. Irgendwo vor mir lagen in der Finsternis die Leichengruben. Falls es den Engeln gelang, mich einzuholen, war ich dort gewiss gut aufgehoben.
    Ich setzte über einen Erdwall hinweg, verfing mich mit dem Fuß in einem Gewirr aus Wurzeln und schlug der Länge nach hin. Ich stöhnte laut auf, als mir der Aufprall die Luft aus den Lungen presste. Mühsam drehte ich mich um, übersah dabei die Kante des Walls und rollte auf der anderen Seite nach unten – geradewegs auf den Rand einer Leichengrube zu.
    Etwas rauschte über mich hinweg, und dann war

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