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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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fühlte sich wie emporgehoben von einer Woge aus Reinheit. Nirgends sonst hätte Alexander seine Niedertracht besser verbergen können als hinter diesem Blick eines Unschuldsengels.
    Der Junge lächelte, als Faustus ihn bemerkte – ein Lächeln, das die stille Hoffnung aller Mütter ist, wenn sie ihre Söhne gebären; der Wunsch aller Mädchen, während sie ihren ersten Liebschaften entgegenfiebern; der Traum jedes Gläubigen, wenn er sich zum Himmel wendet und in Demut sein Gebet spricht.
    »Doktor Faustus«, sagte Alexander mit der Stimme des Jungen. »Willkommen in meinem Garten.« Es klang beinahe ein wenig erstaunt. Nicht einmal Faustus vermochte den Borgia herauszuhören. Hätte er keine völlige Gewissheit über die Wahrheit gehabt, so wären ihm in diesem Moment vielleicht Zweifel gekommen.
    Er trat einen Schritt zurück, um nicht länger dem Schauer der Blütenblätter ausgesetzt zu sein. »Ihr habt mich nicht hierher bringen lassen, damit ich Eure Blumen bewundere, nehme ich an.«
    Der Junge – der Borgia, der Verruchteste aller Kirchenfürsten – stieß ein glockenhelles Lachen aus. Es war, als folge es einer geheimen Melodie, unterschwellig, so als wolle es jeden, der es hörte, mit seinem Klang umgarnen.
    »Ihr seid ein ungeduldiger Mann, großer Faustus. Was treibt Euch zu solcher Eile?«
    »Ich will Eure Gastfreundschaft nicht länger als nötig in Anspruch nehmen.« Faustus hörte selbst, wie müde er klang, ungewappnet für die Feinheiten eines rhetorischen Schlagabtauschs. »Wie soll ich Euch nennen? Eure Eminenz? Alexander?« Er machte eine kurze Pause. » Papst Alexander?«
    Der weißblonde Junge schüttelte den Kopf und begann, sich aus den Ästen herabzuhangeln. Seine Bewegungen besaßen die erstaunliche Grazie eines Tänzers. »Leo ist Papst, nicht ich. Eine undankbare Aufgabe, glaubt mir.«
    »Immerhin habt Ihr gewusst, sie zu Euren Gunsten zu nutzen.«
    »Gewiss.« Der Junge landete nahezu geräuschlos vor ihm im Gras. Er hatte nur ein weißes Tuch um seine Hüften geschlungen, ansonsten war er nackt. Sein Haar wuchs schulterlang und war leicht gewellt.
    Faustus musterte ihn unverhohlen von oben bis unten. »Ist das Euer Versuch, die Ähnlichkeit zum Erlöser zu suchen?«
    »Wenn Ihr mit Erlöser Jesus Christus meint – natürlich, ich will es nicht abstreiten.« Er strich sich beiläufig übers Kinn. »Leider muss ich gestehen, dass mir der Bartwuchs Sorge bereitet. Ich bin in dem Alter, in dem er längst hätte sprießen müssen, aber es wächst nicht ein Haar. Nicht ein einziges.«
    »Seid meines Mitgefühls versichert.«
    Alexander lächelte. »Ich bin froh, dass Ihr keiner von diesen Jasagern seid, von denen ich sonst umgeben bin. Ihr habt Mut.«
    »Es gehört nicht viel Mut dazu, einem Jüngling wie Euch zu widersprechen.«
    Wieder stieß der Junge sein gläsernes Lachen aus.
    »Ein Jüngling, wie wahr. Es hat einige Zeit gedauert, ehe ich mich daran gewöhnt hatte, im Körper eines Kindes zu leben und ein zweites Mal aufzuwachsen.«
    »Ihr habt es aus freien Stücken getan.«
    »O ja, natürlich. Aber lieber hätte ich denselben Weg zur Unsterblichkeit beschritten wie Ihr, werter Doktor. Er scheint mir … müheloser.«
    Faustus verzog keine Miene. »Was bringt Euch zu der Vermutung, ich könnte etwas Derartiges mein Eigen nennen?«
    »Ich bitte Euch«, entgegnete Alexander. »Treibt keine Scherze mit mir! Euer Pakt ist kein Geheimnis, viele wissen davon.«
    »Nichts als Gerüchte.«
    »Ich hörte anderes. Zum Beispiel von Eurem Aufenthalt am Nil. Von dem Pakt, den Ihr dort geschlossen habt. Der schwarze Hund, der Euch folgt, ist gewiss mehr als nur ein Schoßtier.«
    »Massimo hat Euch davon erzählt?«
    Der Junge nickte. »Massimo Pamphili ist ein treuer Diener und guter Freund. Da fällt mir ein – ich muss mich bei Euch bedanken. Ohne das, was Ihr Massimo gelehrt habt, wäre ich heute vielleicht nicht hier. Euer Wissen war mir sehr nützlich.«
    Faustus ließ den Hohn des Borgia ohne ein Wimpernzucken von sich abprallen. »Ich habe ihm nur ein paar Spielereien gezeigt. Nichts Bedeutendes.«
    »Ihr seid ein mächtiger Mann, Faustus, das ist mir bewusst. Doch auch Eure Kräfte haben Grenzen. Ich sehe Euch an, dass Ihr überlegt, wie Ihr mich schnellstmöglich töten könnt. Dennoch glaube ich, dass Ihr zu vernünftig seid, um eine Torheit zu begehen.« Der Junge sprach diese Worte mit solch spielerischer Leichtigkeit, beinahe übermütig, dass Faustus einen Moment lang

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