Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
was Ihr erreicht habt, indem Ihr diesen Körper an Euch gerissen habt, ist ein Aufschub. Denn auch dieser Leib wird altern und sterben. Und ich bezweifle, dass Ihr die Kraft habt, Euren Geist ein zweites Mal in einem Kind zu reinkarnieren. Ihr seid gefangen, Alexander, ist es nicht so?«
Der Junge schwieg, starrte ihn nur durchdringend an. Ganz tief in seinen Augen loderte eine Flamme des Hasses, so blau wie der Himmel, der sich in einer Klinge spiegelt.
Faustus fuhr fort: »Euch sind die Gerüchte zu Ohren gekommen, laut derer ich mir durch einen Pakt das ewige Leben erkauft haben soll. Und nun hofft Ihr, dass ich Euch verrate, wie dieses Geschäft vonstatten ging. Ihr wollt es mir nachtun, nicht wahr? Sprecht frei heraus, Alexander, bevor ich beginne, mich in Eurer Gesellschaft zu langweilen.«
Das Engelsgesicht des Borgia war starr geworden, eine Maske aus Eis. Die unverbindliche Liebenswürdigkeit, mit der er Faustus bislang begegnet war, schwand vollständig aus seiner Stimme. »Ich muss es wissen! Und Ihr werdet es mir verraten!«
»Es gibt nichts, das ich Euch verraten könnte. Nichts, das für Euch von Vorteil wäre.«
»Lasst das meine Entscheidung sein.«
»Ich habe Euch vor diesen Mächten gewarnt. Eure Grausamkeit wird sie nicht beeindrucken. Sie suchen anderes in einem Diener.«
»Etwa Eure Weisheit ?«, fragte Alexander abfällig.
Faustus nickte. »Zum Beispiel.«
Ein schneidendes Lachen kam über die Lippen des Jungen. »Hat Euch Eure Weisheit geholfen, als meine Männer Euch festnahmen? Hat sie Euch davor bewahrt, nach Rom zu kommen? Oder warnte sie Euch vor Eurem verräterischen alten Freund?«
Seine letzten Worte trafen Faustus, doch er ließ es sich nicht anmerken. »In allem habe ich mir meine Menschlichkeit bewahrt, Alexander. Mit allen Makeln, die dazugehören. Eine ungesunde Portion Gutgläubigkeit ist gewiss einer davon.«
Der Junge schlug verärgert mit der flachen Hand gegen den Baumstamm. Wieder regnete es Kirschblüten. Faustus sah, dass die Handfläche des Borgia blutete, doch der Junge achtete nicht auf den Schmerz. Stattdessen ballte er die Hand zur Faust, bis es rot zwischen seinen Fingern hervorquoll. Dann presste er sich die flache Hand auf seine schneeweiße Brust. Als er sie wieder wegzog, prangte ein blutiger Handabdruck über seinem Herzen.
»Ihr unterschätzt mich, Faustus«, stieß er kalt hervor. »Wenn ich es will, ziehen sich diese Finger aus Blut um mein Herz zusammen und reißen es mir aus der Brust.« Er stieß die Hand vor, und ehe Faustus zurückweichen konnte, lag sie auf seiner Brust. Als er sie abschüttelte, war der schwarze Stoff seiner Kleidung dunkelrot durchtränkt. »Und Gleiches gilt für Euer Herz«, fuhr der Borgia fort. »Ein Gedanke von mir, und die Blutfinger auf Eurem Mantel ballen sich zur Faust und zerquetschen Euch das Herz wie eine faule Frucht. Glaubt mir, ich habe diese Macht!«
Faustus horchte in sich hinein, suchte nach Warnungen in seinem Inneren. Falls der Junge tatsächlich die Wahrheit sprach, so fand er keine Anzeichen dafür. Wenn es wahr war, würde es nicht helfen, einfach den Mantel abzustreifen – die Bluthand würde weiter wandern, bis sie sich in seine Haut und durch seine Rippen brannte. Blutzauber wie dieser erfreuten sich vor allem im Orient größter Beliebtheit. Faustus hatte einst von einem Wesir gehört, der auf diese Weise die Tochter eines Paschas getötet hatte, als sie sich weigerte, seine Zuneigung zu erwidern. Als man ihn dafür zum Tode verurteilte, gelang es ihm noch im Sterben, die gleiche List auch auf den trauernden Vater anzuwenden; beide Männer hauchten ihr Leben aus.
Faustus wusste nicht, ob der Junge ihm diesen Zauber nur vorgaukelte, oder ob er tatsächlich in der Lage war, ihn zu vollziehen. Eine knifflige Zwickmühle. Er berührte den Abdruck auf seinem Mantel und zerrieb ein wenig von dem Blut zwischen seinen Fingern, genauso, wie er es mit dem Wasser des Tiber getan hatte. O ja, dachte er beklommen, dieses Blut hat Macht. Es spricht von Magie und von Verderbtheit. Doch reichte all das aus, um einen der mächtigsten Zauber Arabiens zu beherrschen? Faustus bezweifelte es.
Langsam bückte er sich, riss ein Büschel saftigen Grases aus und rieb damit gemächlich über den Abdruck.
»Ich kann es tun«, warnte ihn Alexander, doch jetzt klang es bereits ein wenig hilflos.
Die Hoffnung des Doktors wuchs. Bald hatte er einen Großteil des Blutes mit dem Gras verwischt; nur jener Rest, der bereits
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