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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Engelskriegern erschlagen. Danach verstrich eine Weile, ehe man einen neuen Versuch unternahm. Mit demselben niederschmetternden Resultat. Was für eine Farce!
    (Sicher habt Ihr, wissbegieriger Leser, noch weitere Fragen, genauso wie ich selbst. Hatte Leo vielleicht versucht, jene Borgia-Engel, die noch in seinem Dienst standen, auf die Abtrünnigen in den Katakomben zu hetzen? Und war es überhaupt ratsam, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, auf die Gefahr hin, dass sich die Flammen vereinten und zu einer gewaltigen, alles verzehrenden Feuersbrunst wurden? Über wie viele Engel verfügte der Papst überhaupt noch, nachdem Angelina eben erst ein halbes Dutzend von ihnen niedergestreckt hatte? Ich kann Euch keine Antwort darauf geben, konnte es damals nicht und bin auch heute nicht in der Lage dazu. Vieles ist ungewiss geblieben und das meiste haben die Beteiligten von damals mit ins Grab genommen.)
    Angelina ließ meine Hand los und begann einen einsamen Gang durch die Halle. Ich beobachtete, wie sie im Licht einiger Fackeln umherwanderte, hier eines der Übungsgeräte betrachtete, dort ihre Finger über ein Relief in der Wand streifen ließ. Ich wagte nicht, mir vorzustellen, was in diesen Momenten in ihr vorging.
    Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich allein inmitten der vier Engelskrieger stand. Zwei von ihnen musterten mich mit offenem Misstrauen, während die beiden anderen – darunter der Wortführer – Angelina hinterhersahen und leise flüsterten. Ich nahm all meinen Mut zusammen und zog ein hölzernes Gefäß aus meiner Tasche, nicht länger als mein Zeigefinger und mit einem Korken zugepfropft.
    Einer der Borgia-Engel, der mich nicht aus den Augen ließen, war die junge Frau mit den entzündeten Wundmalen. Ich räusperte mich vernehmlich, dann sprach ich sie an.
    »Das hier ist Wundsalbe.« Ich redete langsam und betont, weil ich nicht wusste, ob sie meine Sprache verstand. »Deine Verletzung ist entzündet. Lass mich etwas davon auf deinen Rücken streichen.«
    Sie hob eine Augenbraue, gab aber keine Antwort. Mit einem Seufzen öffnete ich den Lederzug meines Beinkleides und erntete dafür verwunderte Blicke. Auch die beiden anderen Borgia-Engel wurden nun aufmerksam. Mir brach der Schweiß aus, aber ich versuchte, so gelassen wie möglich zu erscheinen. Mit einer Hand, die unmerklich bebte, wies ich auf den blutigen Streifen, den mir einer der Soldaten an der Hüfte zugefügt hatte. Dann entkorkte ich das hölzerne Fläschchen, nahm sparsam mit dem Zeigefinger einen erbsengroßen Tropfen der Salbe und tupfte ihn vorsichtig auf die harmlose Wunde. Er kühlte angenehm, und in Windeseile ließ der Wundschmerz nach. Mein Meister hatte mich die Herstellung dieses Mittels gelehrt, daher wusste ich, dass es auch gegen Wundbrand und schwärende Entzündungen half. Es war kein allmächtiges Wundermittel, aber eine gute Medizin, die von vielen Heilern eingesetzt wurde. Die Engelskrieger aber verfügten offenbar über nichts Dergleichen.
    Ich zog mein Beinkleid wieder herauf und deutete auf den Rücken des Engelsmädchens. Es trat argwöhnisch einen Schritt zurück und legte die Hand auf den Schwertgriff, doch der Wortführer der vier schüttelte den Kopf und sagte etwas zu ihr. Beruhigende Worte, soweit ich sie verstand. Das Mädchen ließ die Waffe wieder los und erwiderte etwas, wobei es in meine Richtung gestikulierte.
    Ich stand da mit meiner Medizin und fühlte mich mehr als unwohl. Erkannte sie denn nicht, dass ich nur helfen wollte? Die Menge in dem Fläschchen würde gerade ausreichen, um ihre Wunde zu behandeln. Ich war bereit, meine gesamte Medizin dafür aufzuwenden, doch was erntete ich dafür? Misstrauen und Undank.
    Der zweite weibliche Engel mischte sich in das Gespräch der beiden ein, und plötzlich ging eine Wandlung mit dem verletzten Mädchen vor. Es senkte einen Moment lang den Blick, schaute mich dann direkt an und nickte langsam. In seinen blauen Augen war jetzt keine Feindseligkeit mehr, nur eine zaghafte Angst.
    Wieder wurde mir die Widersprüchlichkeit dieser Geschöpfe bewusst. So Furcht erregend sie im Kampf waren, so sanft und hilflos konnten sie sein. Ich rief mir in Erinnerung, dass alle Borgia-Engel im selben Alter waren, gerade mal neunzehn, ein Jahr jünger als ich selbst. Fast noch Kinder.
    Das Mädchen streifte sein Wams ab und wandte mir den Rücken zu. Mit beiden Händen teilte es im Nacken sein langes blondes Haar und legte es sich nach vorne über die Schultern. Unter den

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