Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
mir damals über meine Zukunft gesprochen habt.“
Die Kränkung, der Schmerz und der Verlust ließen ihn so sprechen und jede Angst vergessen. Wer war er schon? Jemand, der erst in vier Jahren volljährig sein würde, und doch nahm er es sich einfach heraus. Die Frechheit, für sich selbst zu sprechen. Andere in den Spiegel blicken zu lassen.
Sein Vormund hatte kurz die Zähne zusammengebissen. Dann schwand die aufkommende Wut jedoch plötzlich. „Ich bedaure alles genauso sehr wie du. Doch trotz allem bist und bleibst du mein Sohn.“
„Tatsächlich?“ Das Wort war heraus, noch bevor der Minderjährige es stoppen konnte.
„Ja. Tatsächlich. Vielleicht ist sogar gut, dass Monsieur Jasko dich in den vergangenen Monaten eine differenziertere Sichtweise gelehrt hat. Ich habe lange nachgegrübelt, weshalb es ausgerechnet dieser Mann sein musste, aber heute ahne ich es. Die Königin wusste, was gut für dich ist, noch bevor wir es selbst ahnten. Deine Offenheit… ist sehr ungewohnt, aber sie macht mir jetzt vieles leichter. Ich will dir gegenüber jetzt genauso direkt sein. Erinnerst du dich an mein Gespräch mit unserem Medikus? Es war, als du aufgewacht bist.“
Belian wollte erst nicken, zögerte dann aber. Hatte er damals nicht geglaubt, das Familienoberhaupt empfände so etwas wie ehrliche Sorge und Liebe für ihn? Die Erinnerung tat weh.
„Ich weiß, dass du es mitbekommen hast. Wir haben den Zeitpunkt bewusst gewählt.“ Der Herzog musterte ihn ernst und wartete, bis der zusammenfahrende Belian sich wieder gefasst hatte. „Ja, Etienne. Du hast geglaubt, uns zu belauschen, aber du hast nur mitbekommen, was genau für deine Ohren gedacht war. Die wahre Diagnose, dass der Unfall dich dein Leben lang schwer beeinträchtigen würde und du vermutlich nie mehr würdest gehen können, hast du nämlich nicht mitgeteilt bekommen. Ich allein habe sie gehört. Nicht einmal Alexandra wusste davon.“
Der Duc zuckte vage die Achseln. „Dein Unfall war für mich ein genauso schwerer Schlag wie für dich. Ich war persönlich dabei, als dieses… Tier zur Schlachtbank geführt wurde. Ich habe abgedrückt. Dennoch weigerte auch ich mich, die Diagnose zu akzeptieren. Ich wusste, wie stark du bist. Das Gespräch mit dem Medikus diente dazu, dir sprichwörtlich Beine zu machen. Dir einen Anlass zu geben, es wenigstens zu versuchen. Und wirklich hast du jede Prophezeiung übertroffen. Man sieht dir kaum noch an, dass mit deinem rechten Bein etwas nicht stimmt. Du hinkst kaum merklich und wenn du weiter daran arbeitest, wird es vielleicht irgendwann ganz verschwinden. Du kannst rennen, reiten, wieder mit deinem Kampfsport anfangen, kurzum alles tun, was du willst. Das musst du nur begreifen.“
Sich auf die Zunge beißend, starrte Belian auf die Bücher im Regal. Er wollte nichts erwidern und bloß für sich behalten, wie tief ihn das alles verletzte. Er war monatelang systematisch belogen worden. Wie ein Pferd hatte man ihn trainiert, ihn immer höher und weiter springen lassen, obwohl von Anfang an schon klar gewesen war, dass er die finale Kombination vor dem Ziel niemals schaffen würde. Schon damals war die Auvergne für ihn verloren gewesen. Seine Heimat.
„Ohne es zu wissen oder überhaupt zu wollen, hat Monsieur Jasko dich vorbereitet. Dafür bin ich ihm trotz seiner Herkunft und seines nicht vorhandenen gesellschaftlichen Standes sehr dankbar. Eure Freundschaft ist gegen jede Regel, aber weil er im Grunde nicht existiert, ist sie legitim und wurde von mir gefördert. Dieser Terraner hat dich gelehrt, mit deiner Behinderung umzugehen und weiter zu blicken. So wirst du ab jetzt auch das leichter akzeptieren können, was du in Zukunft für die Familie tun musst. Ich denke zwar noch nicht ans Sterben, aber ich habe natürlich meinen Letzten Willen bereits geändert und beim Bürger Notar neu beglaubigen lassen. Du kennst deinen Bruder Paul. Yves ist zwar noch zu klein, um großartig etwas über ihn sagen zu können, aber Paul wird mein Nachfolger werden. Bei ihm ist bereits seit Jahren absehbar, dass er kein hervorragender Träger des Titels sein wird. Du wärst es vielleicht geworden, aber der Herrscher des Himmels hat andere Pläne mit dir als ich. Das müssen wir akzeptieren. Sowohl du als auch ich.“
Weil eine erwartungsvolle Stille eintrat, zwang Belian seine Lippen zum Gehorsam. „Ja, Euer Ehren.“ Seine Stimme klang kalt wie Eis, aber so war ihm auch zumute.
Zufriedengestellt erklärte der
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