Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
im Hybrid gewartet.
Nach einem kurzen Anrollweg erhob sich das schwere Gefährt im Flugmodus in die Luft.
Belian hatte nicht mehr die Kraft, aus dem Fenster zu sehen, während die Auvergne zunächst unter und danach auch noch hinter ihm zurückfiel.
Nun, da sie auf dem Weg waren, änderte sich auch das Verhalten der beiden Staatsschützer. Einer holte Handschellen hervor und forderte zwar nicht herrisch, aber dennoch eindeutig Kooperation beim Anlegen.
Der Leutnant war erneut derjenige, der dazwischenfunkte. In seinen Augen stand so etwas wie Mitgefühl.
„Entschuldigung.“ Ein einzelnes englisches Wort, welches das Zuschnappen der zweiten Seite der Fessel begleitete. Vor dem Körper, aber nicht hinter dem Rücken, wie von den Einheimischen beabsichtigt. Etwas berührte seine Hände und wurde zusätzlich darum geschlungen.
Die unermessliche Leere in Belian gestattete ihm nicht, sich zu bewegen. Er war paralysiert und wollte sterben. Nicht mehr und nicht weniger als das.
Geschäftsmäßig durchwühlte der Terraner den Beutel, den Louise in aller Hast gepackt haben musste. Für einen geliebten Bruder, den sie nie mehr wiedersehen würde. Keine verbotenen oder gefährlichen Gegenstände, also durfte Belian die Sachen haben.
Als er irgendwann die Hände vors Gesicht schlug und zusammenbrach, hatte er dabei ein kleines goldenes Medaillon mit einem leuchtenden blauen Saphir auf dem Deckel vor Augen. Das letzte Geschenk seiner Schwester, die womöglich gerade von ihrem Vormund windelweich geprügelt wurde. Belian hatte keinen mehr. Er war zur Vollwaise geworden, weil diejenigen, deren Kind er war, für ihn nicht mehr existierten. Genauso wenig wie sein Bruder, der womöglich gerade Freudentänze aufführte, oder die beiden kleinsten Geschwister Anne und Yves, die Etienne Belian kaum gekannt hatte. Sie würden ihn alle abschreiben und vergessen. Teils absichtlich, teils wegen mangelnder Reife. Nur jener Teil von ihm, der in Louises Erinnerung blieb, würde auf Nouvelle Espérance weiterleben. Sie würde ihn sicherlich niemals vergessen, genauso wenig wie er sie.
Irgendwann begriff er, dass sie seinetwegen alles ertragen würde, was an Strafen auf sie zukam. Eine andere Wahl hatte auch er nicht. Das ließ seine Augen trocknen. Unbeholfen wischte er sich, gefesselt wie er war, darüber.
Das Lächeln des ihm genau gegenübersitzenden grün gekleideten Terraners war verständnisvoll gemeint. Das wusste er jetzt im Angesicht der drei Gefallen, die der Mann ihm bereits erwiesen hatte, ohne ihn zu kennen.
Kurz funkelten die Augen, als Belian das wertvolle Medaillon betrachtete, aber falls es Habgier war, wurde sie schnell unterdrückt. Der Mann nahm ihm das Schmuckstück zwar ab, jedoch nur, um es für den in seiner Bewegungsfreiheit behinderten Gefangenen in einer von dessen Hosentaschen zu verstauen.
Dabei ergriff Belian die Linke des Mannes. Ja, er war ein Feind, aber wohl keineswegs jemand, der seine Anweisungen gern und mit Vergnügen ausführte. Das machte es womöglich wertvoll, diesen Offizier zu kennen. Ein erster kleiner Teil einer noch auszuarbeitenden Gesamtstrategie, die der heute endgültig zum Niemand gewordene Sohn der Auvergne sich würde erarbeiten müssen, wenn er in Zukunft klarkommen wollte. An der unschönen Realität konnte er im Moment nichts ändern.
Da sein Englisch im Grunde nicht existent war, versuchte er es auf die andere Art, die damals schon bei Julien Niven funktioniert hatte. „Etienne Belian.“
Der Terraner brauchte eine kurze Zeit, bis er sich auf den radikalen Verhaltenswechsel eingestellt und noch dazu kurz überlegt hatte. „Ginnes Pasco Rosil. Leutnant… Navy… Sirius…“
Kapitel IV
Die hundertste oder tausendste Lautsprecherdurchsage hallte durch das kleine Quartier. Wie immer war kein Wort davon zu verstehen. Es klang nur geschäftsmäßig und fordernd. Die von den unbekannten Phrasen und dem Tonfall ausströmende Kälte ließ Etienne Belian noch mehr frösteln.
Er gab den Versuch, Schlaf zu finden, auf und wickelte die Decke enger um sich. Alles hier war kalt. Die abgeschlossene kleine Zelle mit der nüchternen und rein auf Zweckmäßigkeit ausgerichteten Einrichtung. Dazu die Luft, die mit einem leisen, stetigen Zischen aus dem Lüftungsloch strömte und an anderer Stelle wieder abgesaugt wurde. Dann noch die grau gestrichenen, eintönigen Metallwände. Und natürlich das All, das dahinter lag.
Bei der Erinnerung an den grauenvollen Flug
Weitere Kostenlose Bücher