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Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Titel: Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermine Pfrogner
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besonderes, ein Raucherfrühstück eben. Was dann kam, war stets unvergleichlich: die erste Zigarette zum Kaffee!
    Die tägliche Ernährung hatte damals sicher einen anderen Stellenwert und insgesamt viel weniger Bedeutung für mich als heute. Ich schätzte zwar durchaus ein gutes Essen, ging auch gerne in Restaurants, aber der volle Genuss wurde durch meine permanente Lust auf Nikotin gedämpft und der immer in meinem Mund vorhandene Rauchgeschmack legte sich über die zarten Aromen der Speisen, so dass mir wohl so manche Feinheit entging. Wenn der Service etwas länger dauerte, rauchte ich sogar zwischen zwei Gängen – was wohl wahrhaftig ein Indiz für eine stark ausgeprägte Sucht ist. Dennoch sah ich mich nach wie vor, vielleicht sogar mehr denn je, als Lustraucherin und manövrierte mich dem Zeitgeist zum Trotz geschickt durch einen Alltag voller Einschränkungen.

Rette sich, wer kann!
    Nun hätte man meinen können, es wäre schon genug zum Schutz der Nichtraucher getan worden, aber das Netz an Verboten wurde noch engmaschiger und ich entdeckte immer seltener ein unscheinbares Hintertürchen, das mich in die Freiheit entließ, wo meine große Liebe schon sehnsüchtig auf mich wartete. Erleichtert, doch noch irgendwo Unterschlupf gefunden zu haben, gab ich mich der Lust hin und vergaß vorübergehend den Anflug von Paranoia, der mich psychisch so robustes Wesen immer öfter heimsuchte. In manchen Momenten fühlte ich mich schon regelrecht verfolgt. Außerdem war meinem stets wachen Blick für das Schöne natürlich nicht entgangen, dass die Orte, an die man uns leidgeprüfte Genussmenschen neuerdings verbannte, von Mal zu Mal trister, kahler und kälter wurden. Es waren Rumpelkammern für Ausgegrenzte, in denen sogar die größte Liebe Gefahr lief, ihren Reiz zu verlieren.
    Unsere Schule wurde damals gerade renoviert, wir agierten monatelang auf einer zugigen Baustelle und die ohnehin schon ziemlich dezimierte Gruppe der Raucher unter uns wurde in einen stets düsteren Raum abgeschoben, in dem jede Menge Plunder lagerte. Es war wirklich deprimierend.
    Das unsensible Rauchverbot fraß sich indes in einem wahren Siegeszug über den Globus und setzte besonders den reiselustigen Leuten wie mir zu. Auf einem Urlaubsflug von Wien über Mailand nach Catania durfte ich nicht einmal mehr die Wartezeit auf den Anschlussflieger rauchend-entspannt verbringen. Das aus aktuellem Anlass besonders wachsame Auge des Gesetzes erstickte meinen aufmüpfig-trotzigen Versuch im Keim und wies mit scharfem Blick und erhobenem Zeigefinger auf die riesigen, funkelnagelneuen rot-weiß-schwarzen Schilder hin, die seit kurzem alle öffentlichen Gebäude Italiens verunzierten. Das war, glaube ich, im Jahr 2002. Ähnliches widerfuhr mir im Jahr darauf, als ich auf dem Heimweg von einem griechischen Strand irrtümlich viel zu früh durch die Sperre ging und im absolut rauchfreien Flughafen von Zakynthos stundenlang unbeschäftigt auf meinen zu alledem noch verspäteten Flug nach Wien warten musste. Mehr denn je fühlte ich mich als unschuldiges Opfer einer völlig überzogenen, schikanösen Politik des Nichtraucher-Protektionismus.
    Und dann beschloss Brüssel, besser gesagt die EU, also eigentlich wir alle, auf den äußeren Hüllen sämtlicher Rauchwaren überdimensionale Warnungen vor gesundheitlichen Risiken anzubringen, um das fröhliche Volk der Raucher endgültig das Fürchten zu lehren und sie auf diese Art schleunigst zu bekehren. Die so hässlichen wie höchstwahrscheinlich wirkungslosen Aufdrucke erinnerten in unangenehmer Weise an Todesanzeigen, zerstörten das liebevoll gestaltete Design der Packungen und verletzten meinen Sinn für Ästhetik und meinen Wunsch nach Selbstbestimmung auf das Gröbste.
    In einer letzten Rettungsaktion erfanden pfiffige Gegenstrategen harmlos-bunte, fröhliche Überzieher für die verunstalteten Zigarettenpäckchen, Präservative der besonderen Art, die den ohnehin schon leidgeprüften Rauchern zusätzliches Leid ersparen sollten – doch der Schaden war bereits irreparabel.

Schleichender Frust
    Wo war sie geblieben, meine berühmte Freiheit, meine legendäre Freude am Genuss, wo fand es noch statt, mein lustvolles Leben?
    Als ich in den 70er-Jahren zu rauchen begann, kaufte ich mich mit jedem neuen Päckchen Zigaretten in die Welt des Genusses und der Freiheit ein, so wurde Rauchen damals schließlich auch weitgehend wahrgenommen. Nun, 30 Jahre später, war ich aus dem Mittelpunkt an den Rand

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