Die neue Lustschule
Lusterleben hat. Immer wenn das Maß dessen, was man an guten Lebenserfahrungen aushalten kann, erreicht ist, geschehen Missgeschicke, kleine Unfälle, entstehen wie aus dem Nichts körperliche Beschwerden, gerät man plötzlich in Streit oder erhält ärgerliche Nachrichten – auf jeden Fall wird irgendetwas Negatives gefunden und erlebt, das den Ausgleich zum Schönen herstellt und das Vergnügen stoppt. Diesen Schwellenwert des lustvoll Erlebbaren sollte jeder kennen und respektieren, um nicht von zu bedrohlichen und zu heftigen Gegenreaktionen überrascht zu werden oder sich plötzlich in einem gefährlichen Kampf mit jemandem oder um etwas verstrickt zu finden. Die nicht beachtete Begrenzung fordert ihren Tribut. Beim achtsamen Umgang mit sich selbst wird man gerade in sehr schönen Lebenssituationen feststellen, dass die eigene Kapazität, das Besondere und Gute zu erfassen, dem Ereignis nicht gewachsen ist: Man hat dann gar nicht so viel Gefühl, wie es der glückliche Augenblick erfordert.Das ist eine andere Formulierung der «ewigen Wahrheit», dass es keinen Ort gibt, wo man hingehen könnte und alles besser wäre – man nimmt sich selbst immer mit! Diese Erfahrung gilt auch für Partnerschaft und Sexualität. Auch wenn äußere Einflüsse natürlich förderlich oder hinderlich sein können, hängt es vor allem von den eigenen Fähigkeiten und Begrenzungen ab, aus den gegebenen Umständen das Beste zu machen. Das Maß der Dinge sind stets die eigenen Grenzen und nicht die Umstände, die gesellschaftlichen Erwartungen und die Werte des Zeitgeistes. In der Akzeptanz der eigenen Grenzen besteht eine gute Grundlage für relative Zufriedenheit. Die Arbeit an der individuellen Grenzerweiterung hingegen vermittelt eine sinnvolle Lebensaufgabe, es sei denn, man verfällt dem Irrtum einer Ideologie grenzenlosen Wachstums und permanenter Leistungssteigerung. Erfolg ist nicht alles, was zählt. Alles Leben und alles Lebbare bleiben begrenzt!
Auf der anderen Seite gibt es aber eine Vielzahl einschränkender Einflüsse, die einen Engpass für unser lustvolles Erleben bilden. Dementsprechend besteht immer auch die Chance, die eigene Lustfähigkeit zu erweitern. Mit dieser Möglichkeit ist das Anliegen dieses Buches beschrieben. Wissen, Erfahrung und Übung sind die dafür erforderlichen Hilfsmittel.
Das gilt insbesondere für die Sexualität in partnerschaftlicher Beziehung. Die Arbeit an der Beziehung bildet hier eine zusätzliche Chance für verbesserte Lustfähigkeit. Jeder Partner fördert oder hemmt spezifische Erlebens- und Reaktionsweisen. Was kann ich erwarten, erbitten, verlangen? Worauf muss ich Rücksicht nehmen? Was braucht der Partner? Wie passen unsere Wünsche und Bedürfnisse zusammen, wie stimmen wir uns am besten ab? Was geht zusammen und was nicht? Welche Grenze muss ich beachten, undwie kann ich eine Schwelle überschreiten? Vor dem Hintergrund dieser und anderer Fragen kann die Partnerschaft jahrelang wachsen und reifen – und es kann gar nicht langweilig werden, vorausgesetzt, man stellt sich diesen Fragen. Mit jeder neuen Partnerschaft ergeben sich auch neue Antworten auf die gleichen Fragen. Man entgeht den Antworten nicht, selbst wenn man lieber die Beziehung wechselt, statt sich der Erkenntnis zu stellen und Absprachen zu treffen. Nur in der Arbeit an der Beziehung und an den sexuellen Möglichkeiten liegt die Chance der Entwicklung und Grenzerweiterung. Das Ideal ist wohl erreicht, wenn man einander «schamlos» begegnen kann, seine Wünsche kommuniziert und so gut als möglich auslebt und dabei die immer vorhandene Begrenzung respektiert.
Lusterleben
Der kulturelle Umgang mit dem Phänomen «Lust» ist und bleibt hochproblematisch. Lusterleben wird nicht gelehrt und gefördert, es bleibt meistens ein Tabu, über das man nicht spricht, oder es wird allgemein abgewertet und als anrüchig diskreditiert. Lustschreie darf man bis heute kaum von sich geben, ohne Ärgernis zu erregen oder peinlichen Spott zu provozieren. Die Kulturgeschichte der Lustunterdrückung ist ungeheuerlich. Die Stimulierung der eigenen Genitalien zum Zwecke der Lust ist zu allen Zeiten als sündig, strafwürdig, peinlich oder unanständig betrachtet worden. Noch in der Gegenwart werden Millionen afrikanischer Mädchen durch «Beschneidung» der Klitoris und der Schamlippen schwer verstümmelt. Man muss sich natürlich fragen, weshalb gerade das Lusterleben als so bedrohlich verfolgt worden ist und immer noch wird. Nach
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