Die neue Lustschule
wenn sie ihre Orgasmusfähigkeit verbessern wollen, was den meisten Männern aufgrund der genannten Verkennung gar nicht in den Sinn kommt.
Inzwischen dürfte klar geworden sein, dass es auf die gestellte Frage keine einfache und auf jeden zutreffende Antwort gibt. Aber das Problemfeld lässt sich weiter erforschen und im Hinblick auf mögliche Konfliktlagen und den Grad der Erfahrungen differenzieren. So richte ich als Therapeut meine Aufmerksamkeit auf folgende Fragen:
• Welche Erfahrungen hinsichtlich Masturbation liegen vor? Gibt es also Erfahrungswissen, wie man sich angenehme und lustvolle Gefühle selbst verschaffen kann?
• Welche Gedanken beeinflussen sexuelle Handlungen? Dadurch lassen sich Ängste, Verbote, Gebote, Hemmungen, Einschüchterungen, falsche Vorstellungen, negative Erfahrungen, Traumatisierungen und Konflikte aufspüren, gegebenenfalls besprechen und klären.
• Wie sieht die Beziehung zum Sexualpartner aus? Welche Probleme, Spannungen, Konflikte, Wünsche, Enttäuschungen u.a. gibt es?
• Welche Einstellung und Erfahrungen mit Sexualität liegen vor und wie ist die Abstimmung mit dem Partner möglich? (So kommt es gar nicht so selten vor, dass man durch Masturbation gute Lusterfahrungen hat, aber bei partnerschaftlichem Sex nicht – also wird das Problem in der Beziehung zu suchen sein.)
Die Reich’sche Orgasmusformel:
Spannung – Ladung – Entladung – Entspannung
ist sehr hilfreich, um die verschiedenen Störquellen für einen Orgasmus differenzieren zu können:
1. Spannung:
Störungen der sexuellen Bedürfnisspannung weisen eventuell auf körperliche Erkrankungen hin. Andernfalls sind die Einstellungen zu Sexualität und Moral (kulturelle und religiöse Normen) zu diskutieren sowie natürlich intrapsychische und interpersonelle Konflikte, die einem die Lust auf sexuelle Aktivitäten vermiesen.
2. Ladung:
Sexuelle Spannung muss zum orgastischen «Abschuss» aufgeladen werden. Das geschieht vor allem durch Reibung der Genitalien und Bewegung des Beckens. Dazu sollte der Muskelstatus beachtet werden (chronische Verspannungen aufgrund von Gefühlsstau lassen wenig Freiraum zur sexuellen energetischen Ladung in der Gegenwart).
3. Entladung:
Die Kontrolle kurzzeitig aufgeben zu können setzt die Fähigkeit voraus, loszulassen und zu vertrauen. Dadurch rücken Persönlichkeitsmerkmale und Beziehungskonflikte in den Brennpunkt der Analyse. Die Kontrolle zu behalten, zwanghaften Ritualen zu folgen, nichts hergeben und zulassen zu wollen sind angelernte Schutzmechanismen, um schwelende seelische Verletzungen nicht wiederzubeleben.Die Auflösung einer Hingabestörung benötigt in der Regel therapeutischen Schutz und entsprechende Unterstützung bei der Verarbeitung früher psychosozialer Verletzungen.
4. Entspannung:
Die Tiefe der Entspannung entspricht der Fähigkeit zur Entladung. Aber immer ist die Entspannung beim Sex eine «nur» begrenzte und situative Befriedigung und nicht geeignet, die ganze Sehnsucht und Bedürftigkeit eines Menschen zu stillen. Wer also schlecht entspannen kann durch Sex, der ist zumeist noch voller Bedürfnisse aus ganz anderen Quellen (meistens narzisstischer und oraler Art – also bestätigt und versorgt werden zu wollen), die emotional verarbeitet werden müssten, um mit der durch Sex möglichen Entspannung richtig zufrieden sein zu können.
So lautet die allgemeine Antwort auf die Frage: Orgasmus ist Ausdruck einer Lebensform, in ihm nimmt eine Weltanschauung Gestalt an, er ist die Frucht eines ganzheitlichen Verständnisses und Geschehens, eines Zusammenspiels von Genitalien, Herz und Kopf, belebt von Energie, die uns miteinander verbindet und an einem Mysterium teilhaben lässt. Und konkret können Körperübungen und Atemtechniken zur Gefühlsentladung, Analysen des Erlebens, der Einstellungen und Haltungen zur Sexualität sowie klärende Gespräche mit dem Partner Möglichkeiten bieten, die Orgasmusfähigkeit zu verbessern.
«Huckepack-Orgasmus»
Diesen Begriff habe ich geprägt, um zwei ganz wichtigen Vorgängen einen Namen zu geben, der zugleich ihr Verständnis erleichtern soll.
«Huckepack» kenne ich als eine Bezeichnung dafür, auf dem Rücken eines anderen mitgenommen zu werden. Man wird also getragen und kommt vorwärts, ohne sich selbst bewegen zu müssen. Eine solche Mitnahme kann auch in der Sexualität eine hilfreiche Rolle spielen. Wie wir wissen, sind echte Gefühle ansteckend. So, wie uns Schmerz und Trauer eines anderen
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