Die neue Lustschule
stammend – tropfenweise entleeren. Die verstärkte Blutzufuhr und der Blutstau in den Schwellkörpern des Penis bewirken die Erektion. So sind bei wachsender Spannung die Geschlechtsorgane beider Geschlechter für eine Vereinigung gut vorbereitet.
Aktiviert wird die Spannung durch ein komplexes Geschehen, das hormonell vermittelt wird, von genetischen, neurobiologischen, biochemischen und psychodynamischenProzessen determiniert und infolgedessen von vielen unterschiedlichen Einflüssen abhängig ist. Es ist für jeden Menschen und je nach Situation anders; seine Erfahrung ist ganz individuell und kann auch nur auf diese Weise reflektiert werden. In psychodynamischer Hinsicht wirken folgende Faktoren auf die Aktivierung sexueller Spannung:
1. der Kinderwunsch, der das Fortpflanzungsbedürfnis transportiert;
2. der Nähewunsch, mit einem anderen Menschen (als Mutterersatz) «verschmelzen» zu können;
3. der Bestätigungswunsch, von einem anderen Menschen begehrt zu werden, als narzisstische Zufuhr;
4. das Lustbegehren, sich ein gutes Gefühl, ein schönes Erlebnis, allen Widrigkeiten des Lebens zum Trotz, zu verschaffen;
5. der Entspannungswunsch.
Verständlicherweise kann in jüngeren Jahren der Kinderwunsch dominieren, in späteren Jahren hingegen beispielsweise der Entspannungswunsch. Gar nicht selten entstehen Partnerschaftskonflikte auch aus einem Missverständnis heraus, wozu Sexualität dienen soll. Immer wieder ist zu hören, dass die anfängliche erotische Ausstrahlung der Frau nach Entbindung von einem Kind völlig verblasst oder dass die sexuell starke Erregbarkeit des Mannes verloren geht, wenn er sich nicht mehr narzisstisch bestätigt erlebt (etwa bei Arbeitslosigkeit, finanziellen Verlusten oder beruflichen Misserfolgen). Im Grunde genommen können sexuelle Partnerschaftskonflikte immer dann entstehen, wenn die Bedürfnisse, die sexuelle Spannung schaffen, auseinandergehen und nicht kommuniziert und verhandelt werden.
Beispiele:
Sie:
«Ich will Sex, um endlich schwanger zu werden.»
Er:
«Ich will Sex, aber auf keinen Fall ein Kind.»
So kann der Kinderwunsch der Frau das Lustbegehren des Mannes dämpfen. Oder die Angst, ein Kind zu zeugen, macht den Sex zu einer Gefahr.
Er:
«Ich mache Sex, damit du mich gut findest.»
Sie:
«Ich will bei dir sein, dann nehme ich auch Sex in Kauf.»
Der Bestätigungswunsch des Mannes zerschellt am Nähewunsch der Frau. Ihre Sehnsucht kann seinen Narzissmus nicht wirklich tragen. Sein Narzissmus kann ihre frühe Bedürftigkeit nicht erkennen, und ihrer beider Lust wird wenig Chance auf Erfüllung haben.
Er:
«Oh, ich bin so geil!»
Sie:
«Ich brauche Zärtlichkeit und Zuwendung!»
Das sexuelle Lustbegehren erstickt im kuscheligen Nähewunsch. Sie bleibt enttäuscht und unbefriedigt zurück, wenn er sich nach seiner Ejakulation abwendet.
Sie:
«Ich freue mich auf die Entspannung nach dem Sex.»
Er:
«Ich komme nicht zur Ruhe, ich will mehr und mehr und rackere mich ab, weil ich Anerkennung brauche und keine andere Möglichkeit kenne, sie zu erlangen.»
Der Entspannungswunsch wird durch seinen süchtigen Bestätigungswunsch verhindert. Beide sexualisieren unterschiedliche Bedürfnisse (sie: Stressabbau, er: narzisstische Bestätigung). Beide weichen über Sex ihrem Grundproblem aus. (Bezogen auf sie: Warum macht sie sich Stress? Was bringt sie in Stress und wie kann sie das verhindern? Bezogen auf ihn: Wie kann er sein narzisstisches Bedürfnis außerhalb von Sex befriedigen und auch emotional verarbeiten?).Man ist also gut beraten, körperlich spürbaren Spannungsdruck in seiner Bedeutung zu identifizieren, was in einer guten Beziehung durch Austausch und Reflexion auch gelingen kann. Die psychodynamisch begründeten Spannungsinhalte können immer unterschiedlicher Art sein und führen, wenn sie unreflektiert bleiben, zu Missverständnissen und Enttäuschungen. Es wird zwar Sex eingefordert, gemacht oder auch abgelehnt, aber es geht dabei nicht allein um Sex. Es geht auch um Zuwendung und Sehnsucht, um Bestätigung, um Langeweile, um Stress, um sexualisierte Konfliktbewältigung. Will man den anderen bestrafen, belohnen, in die Schuld bringen, beschämen, besänftigen, aufheitern oder wohlgesinnt stimmen? Die unterschiedlichen Motive von Partnern lassen sich nicht einfach übergehen, schließlich hat jeder ein Recht auf seine Bedürfnislage; umso mehr werden Austausch und das Bemühen um Verstehen und Toleranz
Weitere Kostenlose Bücher