Die neue Lustschule
verinnerlicht haben und diese Erfahrungen wie eine Schablone für alle späteren Beziehungen benutzen (das sind die «Übertragungen»), sind partnerschaftliche und freundschaftliche Beziehungen immer auch davon geprägt. Wenn dies nicht zur oberflächlichen Zufriedenheit der Kollusion führen soll, sind wir alle – mehr oder weniger – genötigt, die immer auch begrenzten, einengenden, falschen, verlogenen und defizitären Erfahrungen, die die Eltern uns vermittelt haben oder erleben ließen, zu identifizieren, emotional mit aller damit verbundenen Enttäuschungswut, Schmerz und Trauer zu verarbeiten und neue Erfahrungen in eigener Verantwortung zu suchen, zu bewerten und entsprechend zu verinnerlichen. Natürlich sollten auch die guten Erfahrungen mit den Eltern gewürdigt, bewusst übernommen, ausgebaut und in Übereinstimmung mit den eigenen Interessen und den sozialen Veränderungen modifiziert werden. Gesunde frühe Beziehungsverhältnisse führen zu Übertragungen,die realitätsgerecht und partnerbezogen echte und ehrliche Beziehungen in der Gegenwart ermöglichen. In diesem Fall hat man mit den positiven Kindheitserfahrungen «grünes Licht» für ein sozial weitgehend angstfreies und liebevoll verbundenes Leben erworben – vorausgesetzt, die gesellschaftlichen Verhältnisse akzeptieren ein derart wahrhaftes, demokratisches Verhalten.
In aller Regel aber wird man eine Fülle negativer Übertragungen zu identifizieren und so gut wie möglich zu korrigieren haben. Das bleibt eine – leider oft – lebenslange Aufgabe, für deren Bewältigung man schon mal Beratung und Hilfe in Anspruch nehmen kann, vor allem dann, wenn man immer wieder – wider besseres Wissen – in dieselben Liebesfallen hineintappt. Beinahe regelmäßig geschieht das, wenn man den Partner wechselt. Zunächst sieht alles viel besser als zuvor aus, bis dann die Übertragungen sich wieder durchsetzen und das neue Verhältnis mit den alten Erfahrungen zunächst unmerklich und dann immer deutlicher vergiften. So steht man nach einigen Jahren der neuen Partnerschaft wieder vor derselben Enttäuschung und Beziehungsstörung.
Beziehungslust braucht übertragungsarme Verhältnisse oder doch die Bereitschaft beider Partner, die immer wiederkehrenden Verwicklungen als übertragungsverursacht zu erkennen, zu besprechen und zu überwinden. Man wird die Übertragungen, letztlich die Folgen früher Verletzungen und Defizite, nicht beseitigen und verhindern können, aber man kann mit ihren Folgen kompetenter umgehen lernen.
Beziehungslust entsteht in einem Miteinander, das
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Annahme
vermittelt (Ich bin willkommen, du bist willkommen);
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Zuwendung
erlebbar macht (Ich bin gemeint, du bist gemeint);
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Bestätigung
erfahren lässt (Ich bin o. k. – du bist o. k., ich darf so sein – du darfst so sein!);
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Würdigung
vermittelt (Ich bin gut so – du bist gut so!) und
•
Teilhabe
deutlich macht (Ich bin wichtig – du bist wichtig, ich brauche dich – du brauchst mich).
In einem derart lustbetonten Miteinander sind die wesentlichen übertragungsverursachten Ängste überwunden:
• statt Existenzangst – ich bin berechtigt;
• statt Objektverlustangst – ich bin liebenswert;
• statt Individualisierungsangst – ich bin o. k., so wie ich bin;
• statt Expansionsangst – ich kann mich verströmen;
• statt Erfolgsangst – ich bin mit mir zufrieden;
• statt Versagensangst – ich lebe nach meinen Möglichkeiten.
Dies ist das Ideal, welches in dieser Eindeutigkeit positiven Selbsterlebens wohl kaum zu erreichen ist. Der Weg dorthin besteht aus kritischer Reflexion der frühen Lebensgeschichte, um die Folgen der Mütterlichkeits- und Väterlichkeitsstörungen zu identifizieren und, so gut man kann – in der Regel ist dabei professionelle Hilfe sinnvoll –, emotional zu verarbeiten. Wer über sein Schicksal trauern kann, der muss seinen Gefühlsstau nicht mehr am Partner oder anderen Nahestehenden abarbeiten.
Wer den Partner nicht mehr mit «Mama» oder «Papa» verwechselt und von ihm etwas haben will, das es schon bei den Eltern nicht gab und auf immer verloren ist; wer es darüber hinaus schafft, sich nicht mehr stellvertretend am Partner für die Fehler und Mängel der Eltern zu rächen; und wer imstande ist, den berechtigten Frust über frühe Not auszudrücken, ohne die Partnerschaft damit zu belasten, der istreif für eine Beziehungslust, die für ein gesundes und zufriedenes Leben mehr Gewinn
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