Die neue Lustschule
abwirft als Geld und Besitz. Es geht um die große Befriedigung, in einer Beziehung leben zu können, in der man sich mitteilen kann, in der Zuwendung, Annahme, Bestätigung und Schutz sowie – wo notwendig – auch Kritik ausgetauscht werden können. Dies sind die Grundlagen für ein glückliches Beziehungsleben. Beziehungslust erleichtert ganz wesentlich die Körperlust, und lustvolle körperliche Intimität ist der beste Boden für eine befriedigende Beziehung.
Beziehungslust entsteht aus der Erfahrung, sich unverstellt, ganz ehrlich mitteilen zu können, ohne dabei kritisiert, belehrt, abgewertet oder gar verhöhnt zu werden. Vielleicht kann dies nur verstehen, wer das Glück authentischer Gefühlsäußerungen in einer Sphäre mitmenschlichen Vertrauens kennt. Echte Gefühle stecken an, wie wir wissen; wer bei der Gefühlsentladung eines anderen schmerzvoll oder auch freudig mitschwingen kann, der erlebt auch die wohltuende Entspannung mit, die nach jedem echten Gefühlsausdruck eintritt. Diese Erleichterung unterscheidet, nebenbei gesagt, authentische von neurotischen Gefühlen, die etwas bewirken, bezwecken oder auch von etwas ablenken wollen, im Grunde kein Ende kennen und für alle Beteiligten unendliche Last und Qual bedeuten. Wer stundenlang weint, vermeidet damit das wirkliche Gefühl von Trauer oder Schmerz. Ganz anders, wenn man jemandem – auch im tiefen Leid – im Arm halten kann oder bei seiner berechtigten Empörung unterstützen darf und nach durchschnittlich zwanzig Minuten eine spürbare Erleichterung erlebt wird – dies ermöglicht ein tiefes Empfinden von Verbundenheit. In einer Partnerschaft erwächst daraus eine vertrauensvolle Nähe, die auch die gegenseitige, «schamlose» Anteilnahme an sexueller Körperlust erleichtert. Die Vermeidung seelischenSchmerzes ist die Quelle fast aller Konflikte. Die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich miteinander über Leidvolles, Kränkendes und Defizitäres zu verständigen und sich dabei seiner Gefühle nicht zu schämen, schafft hingegen die Grundlage für Liebe und Frieden.
Beziehungsdynamische Reifegrade der Lust
Wie lässt sich die Lust partnerschaftlich entwickeln, erhalten und steigern?
1. Masturbation
Nach meiner psychotherapeutischen Erfahrung haben viele Menschen mehr Probleme, bei partnerschaftlicher Sexualität zur Lust zu kommen, als mit sich allein. Ohne Erfahrungen mit Selbstbefriedigung ist partnerschaftliches Lusterleben meistens noch viel schwieriger, da man angesichts eigener Unerfahrenheit auch noch mit der Ratlosigkeit des Partners rechnen muss, der vielleicht seinerseits ohne große Erfahrung und Selbsterfahrung ist und sich dementsprechend ungeschickt verhält. Die Abstimmung des beiderseitigen Lusterlebens ist eine zentrale Aufgabe von Sexualität in der Partnerschaft, die besser gelingt, wenn beide schon gute Erfahrungen mit sich selbst mitbringen. In den Beratungen klagen viele (deutlich mehr Frauen als Männer) ratlos und verzweifelt über Luststörungen in ihren Beziehungen, haben aber nicht einmal gute Erfahrungen mit Selbstbefriedigung.
Die lustvolle Selbsterkundung ist dann die erste Aufgabe auf dem Weg zur partnerschaftlichen Lust. Sich selbst lustorientiert anzufassen ist trotz aller äußerlichen Liberalisierung in sexuellen Dingen für erschreckend viele immer nochmit Schuld- und Schamgefühlen verbunden. Sexuelle Aufklärung bleibt häufig auf die Fortpflanzungsfunktion beschränkt; die andere große Funktion der menschlichen Sexualität, die Lust, wird hingegen vernachlässigt. Dass Selbsterkundung – sich selbst an den Genitalien anzufassen, zu streicheln, zu reiben, lustbetonte Stellen zu suchen und lustorientierte Bewegungen zu finden – vollkommen in Ordnung ist und durchaus geübt werden sollte, wird im Grunde nie vermittelt, bestenfalls stillschweigend toleriert und schlimmstenfalls heute immer noch als schädlich, sündig oder krankhaft diffamiert. Zu wissen, wie man sich lustvolle Erregung verschaffen und vor allem zu entspannender Befriedigung kommen kann, ist nicht nur eine basale Prävention im Dienste der Salutogenese, sondern auch eine wichtige Voraussetzung lustvoller Sexualität in einer Partnerschaft. Neben psychischer Eigenständigkeit und ökonomischer Unabhängigkeit ist das Erfahrungspotenzial der eigenen Lustfähigkeit die beste «Aussteuer» für eine gute Partnerschaft. Dafür bedarf es vor allem der wohlwollenden Bejahung und Ermutigung – den individuellen Weg findet dann jeder schon
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