Die neue Lustschule
orientiert, um sich alsbald wieder vom Partner entfernen zu können (sich abwenden, aufspringen, duschen oder rauchen). Gefragt ist geile Lust und nicht zärtliche Nähe. Mit Vorliebe werden Tabus und Verbote verletzt: Sex an ungewöhnlichen Orten, in bizarren Konstellationen, in häufig wechselnden Beziehungen, mit Unbekannten, als Spontanfick oder auch in Gruppen.
Der Eva-affine Orgasmus ist beziehungsorientiert, seine Domäne sind zärtliche und verschmelzende Berührungen. Die Lust wird nicht gemacht, sondern soll
geschehen
und ist stärker vaginalbezogen bzw. auf langes Verweilen aus. Die zärtliche Zuwendung des Partners wird ihm mit liebevoller Bestätigung gedankt. Die Lust ist von Sehnsucht getragen, mit der Gefahr allerdings, die Beziehung zu ersticken. Bedürftigkeit und Abhängigkeit können dazu führen, dass man sich aneinanderklammert, statt die Körperlust zu steigern und dann auch zu einem befriedigenden Abschluss zu bringen. Nach dem Höhepunkt wird auf ein nachhaltiges, liebevolles Beieinanderliegen Wert gelegt. Beziehungsabhängigkeit lässt die Körperlust erlahmen.
Der Adam-affine Orgasmus ist machohaft dominant oder von Selbstunsicherheit geprägt. Alles dreht sich um Macht und Herrschen oder um Unterwerfung und Bedienen. Der dominante Adam benutzt die Sexualität, um sich stark zu fühlen. Es geht ihm um Macht und Kontrolle. Er sucht die devote Sklavin, die ihn herrschen und bestimmen lässt. Zusammen mit dem Sex werden Spannungen, Ärger, Unmutbzw. Kränkungen abgeführt, gewissermaßen weggebumst. Kein Wunder also, dass sich die betroffene Frau benutzt, abgewertet oder entehrt fühlt, Widerwillen gegen Sex oder auch psychosomatisch begründete Unterleibsbeschwerden entwickelt. Diese Adam-Seite der Sexualität findet sich auch bei Frauen, sofern sie mit Sex Macht ausüben, sich verweigern oder Sex großzügig gewähren bzw. mit Forderungen verbinden.
Der andere «Adam», der seine Selbstunsicherheit nicht kompensiert, sondern kultiviert, ist der Versteher und Bediener; er benutzt den Sex, um sich Anerkennung zu «verdienen». Er bemüht sich, hilft der Partnerin, wo immer es geht, und denkt an sich selbst zuletzt. Nicht selten wird er dabei «schlaff», ohne zu verstehen, dass ihm sein Penis eine Botschaft sendet: von der unerfüllbaren Hoffnung abzulassen, durch sexuelle Dienste doch noch die Liebe zu bekommen, die ihm in seiner Entwicklung verweigert wurde. Auch Frauen können dieser Adam-Variante folgen, wenn sie ihre Lust aus Unterwerfung und Bedienen des Mannes gewinnen, im gleichen Irrtum befangen, dadurch endlich Zuwendung und Anerkennung zu erfahren.
In Lilith, Eva und Adam verkörpern sich jeweils Teilaspekte narzisstischer Störungen, deren Integration den «ganzen Menschen» ausmacht: nicht Dominanz
oder
Anpassung, sondern Dominanz
und
Anpassung, nicht geile Lust
oder
Liebe, sondern Geilheit
und
Liebe, verbunden mit der Fähigkeit der richtigen Dosierung, je nach Situation und Kontext.
Da die Eltern wesentliche Verantwortung für die Qualität der ersten Beziehungserfahrungen des Kindes tragen, tragen sie auch die Schuld an Fehlentwicklungen ihrer Kinder. Freilich gibt es viele Gründe dafür, dass Eltern ihre Funktion nicht ausreichend gut erfüllen (können), dafür brauchen sieVerständnis, auf jeden Fall soziale Unterstützung und gegebenenfalls auch Vergebung. Das ändert dennoch nichts an den von ihnen schuldhaft verursachten Entwicklungsstörungen ihrer Kinder. Die Not der Kinder wird nicht durch die Einsicht in die Not der Eltern gelindert, eher noch vermehrt, da durch Verstehen häufig berechtigte Empörung und vorhandener Schmerz überdeckt werden.
Die besondere Verantwortung der Eltern gegenüber ihren Kindern hat mich auf Distanz zu einem zentralen Theorem der klassischen Psychoanalyse gehen lassen: Ich meine den Ödipuskomplex. Der «Ödipuskomplex» lässt sich im Grunde als eine «geniale» Fehlinterpretation des Ödipusmythos durch Freud verstehen. «Genial», weil es ein Mythos ist, der die Verschuldung der Eltern an ihrem Kind erzählt, und «Fehlinterpretation», weil sich keine «normale» Sexualentwicklung des Kindes daraus ableiten lässt, dass der Sohn aus libidinösen Gründen seine Mutter begehren und den Vater beseitigen möchte.
Den Inhalt des Mythos interpretiere ich heute als eine symbolische Darstellung der Folgen von «Frühstörungen» – wenn Eltern ihr Kind nicht annehmen, es ablehnen und am liebsten sogar töten wollen (das
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