Die neue Lustschule
verführerische Angebote – um Eigenschaften, die von sehr vielen Frauen infolge ihrer Erziehung als «nuttenhaftes» Verhalten abgewertet werden und bei vielen Männern Unsicherheit und Ängste auslösen aus der Furcht heraus, den Ansprüchen der Frau nicht gerecht werden zu können, die Kontrolle und die Macht über sie zu verlieren. Deshalb suchen manche Männer lieber Huren auf, die eine Scheingeilheit verkaufen, welche nicht wirklich bedrohlich werden kann, weil sie nicht echt ist; und die sie bezahlen, weil sie glauben, auf diese Weise Kontrolle und Macht über sie zu behalten.
Adam und Lilith sind ein völlig anderes Paar als Adam und Eva. Adam ist Lilith sexuell nicht gewachsen und Lilith taugt nicht für Mutterschaft und Familienleben. So scheitert ihre Beziehung bezeichnenderweise an einer narzisstisch besetzten Sexualität. Die gleichrangige Lilith will sich sexuell nicht «unterwerfen» lassen, sie will das lustvolle Geschehen selbst aktiv mitbestimmen. Der Konflikt wird symbolisch so gedeutet, dass Lilith sich weigert, nur in der «Missionarsstellung» unter Adam liegen zu sollen; ihr Anspruch auf Gleichberechtigung verlangt nach einer aktiveren Position, zum Beispiel reitend auf Adam zu sitzen. Für Adam ist die sexuelle Aktivität der Lilith bedrohlich. Sie streiten um die sexuelle Position, den Streit verlieren beide. Die Körperlust scheitert am Kampf um die Dominanz. Lilith sieht keine andere Möglichkeit, als sich durch Flucht aus dem Paradies der (sexuellen) Unterwerfung zu entziehen, und Adam bleibt verlassen und partnerlos zurück. Offensichtlich auch in einem jämmerlichen Zustand, so dass Gott sich seiner erbarmt und ihm eine Gefährtin zur Seite stellt, die schon durch ihren Schöpfungsakt (aus einer Rippe Adams) als unbedeutend, untergeordnet, ergeben und passiv charakterisiert ist.
So wird die potenziell lustorientierte Beziehung zwischen Adam und Lilith von Anfang an als unlebbar dargestellt. In der späteren Beziehung zwischen Adam und Eva wird dann mit dem Genuss des Apfels der Verstoß gegen das Verbot der (geschlechtlichen!) Erkenntnis praktisch zur Ursünde erklärt. Was für eine ideologischmoralische Last für unsere Kultur, dass an ihrem Beginn eine lustvolle Beziehung nicht zustande kommt und die sexuelle Erkenntnis als Verlust der Unschuld, als eine zu bestrafende Entwicklung der partnerschaftlichen Beziehung dargestellt wird, die zur Vertreibung aus dem Paradies in ein sehr mühseliges Leben führt.
Der Mythos um Lilith, Adam und Eva lässt sich als ein symbolisches Abbild der realen Schwierigkeiten verstehen, Sexualität und Beziehung in guter Verbindung zu leben. Sowohl Partnerschaft als auch Sexualität sind zentrale Gestaltungsverpflichtungen des Lebens, die immer auch Mühen, Konflikte und Arbeit bedeuten, die man auf sich nehmen muss, um lustvolle und befriedigende Augenblicke erleben zu können. Dass eine gute (sexuelle) Beziehung nicht selbstverständlich ist und «einfach so» gelingen kann, ist eine wichtige Botschaft, die aber leider nicht dazu führt, dass Sexualität und Beziehungsfähigkeit wirklich gelehrt und gelernt würden. Dass Lilith hingegen aus der biblischen Darstellung weitgehend verdrängt ist – ihr Name wird nur einmal genannt (Jesaja 34,14) – und in unserer christlichen Kultur Adam und Eva als das erste Menschenpaar gelten, ist auch ein symbolisches Abbild der jahrtausendealten Unterdrückung der Frau und einer verlogenen Mutterverehrung, die eine gute Deutungsbasis für viele Sexual- und Partnerschaftskonflikte bietet. Dabei sind die verpönte Körperlust (das Lilith-Tabu!) und die durch narzisstische Machtkonflikte belastete Beziehungslust wichtige Schlüssel zu Erkenntnis der individuellen Probleme. So gesehen kann diejüdischchristliche Überlieferung wertvolle Hinweise auf reale Verhältnisse geben, als Veranschaulichung von Gegebenheiten, die bedacht und reflektiert werden und zur Auseinandersetzung herausfordern sollten. Eine dogmatische Auslegung hingegen ließe sich zur Begründung einer lustfeindlichen und autoritär-repressiven Beziehungsstruktur missbrauchen.
Unser Kulturbild basiert auf einem Vater-Gott, der als Erstes narzisstisch gestörte Kinder (Adam und Lilith) ins Leben setzt, deren Muttermangel über Machtkämpfe ausgetragen wird und zu einer gescheiterten Beziehung führen muss. Dann folgt mit Eva ein reduziertes Frauenbild, das deutlich macht, dass sich in einer Partnerschaft weder Körperlust noch Beziehungslust
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