Die neue Lustschule
«Ganz gut!», ohne dass die Qualität differenziert mitgeteilt werden könnte. In den Aussagen über sexuelles Handeln werden vorwiegend innerseelische und beziehungsrelevante Mangelzustände transportiert. Das muss im Laufe der Zeit zu Ernüchterung und Enttäuschung führen, da nicht alle diese Bedürfnisse mit Sexualität befriedigt werden können.
Ich habe im vorliegenden Buch immer wieder darauf hingewiesen, dass die Sexualität durch Beziehungserleben wesentlich verbessert (aber auch behindert werden kann); dass Sexualität praktisch gelernt werden muss, und zwar körperlich, seelisch und beziehungsdynamisch. Körperlich geht es um den muskulären Freiraum für energetische Ladung, psychisch um die Konfliktbefreiung und in der Beziehung geht es um die Zurücknahme von Übertragungen aus belastenden frühen Beziehungserfahrungen mit den Eltern. Damit sind die wesentlichen Inhalte einer «Lustschule» auf den Punkt gebracht. Ihnen gerecht zu werden ist eine lebenslange Aufgabe, aber auch eine lohnende und sinnvolle Orientierung für ein lustvolles und liebevolles Leben.
Schaut man sich die genannten Metaphern für guten oder schönen Sex daraufhin noch einmal an, dann wird deutlich, dass in vielen Fällen lustvolle Sexualität wohl nie gelehrt und gelernt wurde, sondern dass das sexuelle Zusammenkommen im Dienste vielfacher Bedürfnisse steht. Sexualität ist stets mit dem Risiko verbunden, dass im Innenleben abgelagerte Konflikte reinszeniert werden mit der tragischen Verschiebung eines Defizits oder Problems auf den Partner. So wird Sexualität entehrt und missbraucht und ein wesentlicher Teil an Lebensqualität zerstört. Die Tatsache, dass Menschen sexuell missbraucht werden können, ist in unserem Denken sehr präsent, im Grunde wird jedoch kaum zur Kenntnis genommen, wie viel häufiger Menschen ihreSexualität und die des Partners missbrauchen. Ich will das an einem immer wiederkehrenden Beispiel illustrieren:
Man und Frau sind auf vielfache Weise verschieden – von einer Unisex-Ideologie etwa feministischer Provenienz wird das geflissentlich geleugnet. Die bestehenden Unterschiede werden dann oft nicht respektiert, gar nicht zur Kenntnis genommen und natürlich auch nicht besprochen, mit der Folge, dass es zu gravierenden Störungen und Defiziten in der Partnerschaft kommt. Ein «Schlachtfeld» entsteht beispielsweise dann, wenn sie sich verweigert («Keine Lust», «Zu müde», «Migräne», «Menstruation», «Nicht schon wieder», «Du willst immer nur das Eine», «Du meinst mich gar nicht» etc.) und damit enorme Macht ausübt (sie hat den Mann am Schwanz!). Was nun? Entweder wird er betteln, sich um ihr Wohlwollen bemühen – und setzt damit sein «Mutterbediener-Syndrom» fort –, oder er wendet sich über kurz oder lang anderen Frauen zu oder greift gar zu Gewalt und macht sich damit natürlich schuldig! Beide aber, Frau wie Mann, missbrauchen in diesem Fall Sexualität zur Abwehr und Kompensation von inneren Spannungen und Kränkungen. Hätte sie hingegen Lusterfahrung gelernt, gäbe es praktisch keinen Grund, sich zu verweigern – und wäre ihm Lusterfahrung (abgelöst von der Mutter!) erlaubt, hätte er keinen Grund mehr, sich so behandeln zu lassen und sich dabei selber Schuld aufzuladen. Vergleichbares gilt für den Fall des respektlosen bzw. gewalttätigen Sexes. Hätte er liebevolle Lust – Sex und Beziehung – gelernt, würde er sein Verhalten selbst als abnorm identifizieren, und wenn sie in ihrem Selbstwert bestätigt worden wäre, würde sie sich nicht auf diese Weise entehren lassen. Sexuelle Verweigerung und Gewalt sind die tragischen, kriminellen Symptome des Missbrauchs von Sexualität im Dienste der Verleugnung innerseelischer Not.
Eine «Lustschule» kann sowohl präventiv als auch therapeutisch dazu beitragen, den Missbrauch von Sexualität zu beenden und Sexualität als ein zentrales Hilfs- und Heilmittel zu erlernen.
Mit Sexualität als biologischer Verpflichtung und als Menschenrecht darf jeder Einzelne gemäß seiner Verantwortung umgehen. Kriminelles sexuelles Verhalten dagegen steht zu Recht unter Strafe. Zu einer partnerschaftlichen Beziehung gehört eine Verständigung über die Praxis der Sexualität. Eine solche Verständigung muss verbindlich sein, natürlich unter Berücksichtigung dynamischer Veränderungen. Vereinbarungen müssen immer wieder neu getroffen werden. Wird Sexualität in einer Partnerschaft in irgendeiner Weise gegen den Partner verwendet
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