Die neue Menschheit
soweit.
Es war in ihm.
Es wollte heraus.
Er konnte es nicht beschleunigen. Er konnte es nicht aufhalten. Er hatte keine Macht darüber.
Es kam ruckhaft, plötzlich. Er konnte es nicht vorhersehen. Es hatte nichts damit zu tun, was er gerade tat.
Worte kamen zuerst. Ein Durcheinander von Worten. Sie schienen seinen Schädel zu durchbohren. Sie überschlugen sich wie ein Steinschlag an einer Felswand. Namen. Die Namen von Dingen.
Er wollte sie nicht. Sie barsten in seinem Kopf. Sie taten ihm weh. Sie dehnten seine Welt zum Reißen aus. Sie vernichteten die verschwommen einfachen Abteilungen seiner Vorstellung.
Worte. Eine tosende Wortflut.
Sie war nicht zurückzuhalten. Die Worte kamen, Schmerz oder nicht Schmerz.
Es war nicht nur Varnum, der einen Namen hatte. Nicht nur Dieh. Alles hatte einen Namen.
Die Welt erstickte fast unter Namen.
Sonne. Sterne. Ein Himmel, der blau war. Schmutz. Gras. Pfade. Mensch, Mann, Frau, Kind, Junge, Mädchen. Ein Obstbaum. Antilopen, Säugetiere, Wirbeltiere. Feuerstein, Granit, Sandstein. Gewitterwolken. Freund. Feind. Jagen, pflücken. Frühling und Sommer, Herbst und Winter. Zuhause. Wind, der aus dem Norden blies.
Er wurde mit Namen überschwemmt, die ihm nichts sagten: Erde. Gott. Computer. Ira Luden. Atom. Hydrokultur. Lichtjahr, König. Phonem. Glas.
Wenn er schlief, hatte er Träume.
Träume …
Er sah eine Stadt. Nicht Nester, Gebäude. Gigantische kahle Dinge. Kein Geruch, keine Hitze, keine Kälte. Leute, zahllose Leute. Versteckt, hauptsächlich. Unterirdisch befördert, ohne zu gehen oder zu laufen. Gleich aussehende Leute. Ihre Gesichter waren ausdruckslos.
Er sah ein Zimmer. Sein Zimmer. Ein Navajoteppich auf dem Boden. Bücher mit Worten auf ihren Seiten. Pfeifen. Rauch in seinem Mund. Ein Sessel, in dem man saß. Nahrung, die erschien, wenn er sie wollte. Anstrengung gab es nicht.
Er sah Maschinen, die er nicht verstehen konnte. Maschinen, die hämmerten, Maschinen, die sich bewegten, Maschinen, die summten.
Dieh! Dieh! Dieh!
Er sah sich selbst, schlafend und nicht schlafend, in Flüssigkeit ruhend, seine Lippen klebrig, umgeben von Kunststoff und Metall, eine tiefe Dunkelheit drückte auf ihn, hüllte ihn ein …
Es waren keine schönen Träume. Er haßte und fürchtete sie. Er wachte wie gelähmt und schweißüberströmt auf. Er war nicht leistungsfähig. Sein Kopf schmerzte die ganze Zeit. Er konnte sich nicht auf das konzentrieren, was getan werden mußte. Ein Teil seines Selbst war nicht da.
Er wuchs, ja.
Er wurde mehr.
Es brachte ihn fast um.
An einiges konnte er sich nun erinnern. An Bruchstücke. Sie ergaben kein ganzes Bild.
Er erinnerte sich an Frauen. Nicht Frauen wie Dieh, narbig und schmutzig, mit Läusen im Haar. Nein. Gepflegte Frauen, kluge Frauen, in schimmernder Kleidung, die raschelte, wenn sie sich bewegten. Frauen, die sich parfümierten, die berechnend ihre sanften Hände und weichen Lippen zu benutzen wußten …
Diese Erinnerungen verwirrten ihn. Sie führten zu Schwierigkeiten mit Dieh. Er wünschte sich, er hätte sich nicht erinnert.
Er erinnerte sich ans Reden. Kein Grunzen und Knurren und Brummen. Worte! Sie waren aus seinem Mund geströmt, waren geflossen wie der Bach. Und Zuhören. Andere hatten mehr geredet. Er hatte in einem Summen von Worten gelebt.
An Lachen erinnerte er sich kaum.
Er erinnerte sich grauer eintöniger Tage, an denen alles gleichgültig gewesen war. Er erinnerte sich an eine Welt ohne Hoffnung, ohne Verzweiflung. Eine Welt, die eben nur existierte. Bei dieser Erinnerung durchlief es ihn kalt.
Varnum kämpfte dagegen an. Er rang mit dem Ding in sich, das ihn durch sein Ausbreiten verschlang. Er versuchte damit zu leben, es zu absorbieren, Löcher hineinzustoßen, die es ihm ermöglichen würden, zu sehen, was er sehen mußte.
Er brauchte Zeit.
Er mußte diesen Schmerz in seinem Kopf loswerden.
Er wußte, daß seine Führerschaft in Gefahr war. Er wußte, daß er nicht aufmerksam und wachsam war. Und er wußte, daß er es sich nicht leisten konnte, benommen herumzuirren.
Er war geschwächt. Die Anspannung und der traumgequälte Schlaf entzogen ihm die Kraft.
Er wußte, daß Späher nur auf seine Gelegenheit wartete.
Er glaubte nicht, daß er sich in seinem Zustand gegen ihn durchsetzen könnte.
Benutz es!
Benutze, was du weißt. Es spielt keine Rolle, wieso du es weißt! Es ist in deinem Kopf. Konzentriere dich auf eines. Verdränge alles andere, nicht auf die Dauer, aber lange
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