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Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)

Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)

Titel: Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ulrich Wehler
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Steuern auf Erbschaften dagegen bei grotesken 1.6 Prozent. Deutschland schont mithin den Besitz, belastet aber das Erarbeiten von Wohlstand. Im Übrigen ist die neue Erbschaftssteuer durch Freibeträge und Ausnahmeregeln sogleich durchlöchert worden. Daher schrumpfen die Erträge aus ihr, obwohl die vererbten Nachlässe immer größer werden. Der Bundesfinanzhof bezweifelt daher, dass die reformierte Erbschaftssteuer verfassungsgemäß ist. Das Bundesverfassungsgericht soll jetzt das Entscheidungsurteil fällen. Die Lohn-, Umsatz- und Verbrauchssteuern ergeben achtzig Prozent des gesamten Steueraufkommens, die Unternehmens- und Gewinnsteuer nunmehr zwölf Prozent.
    Die Bundesrepublik ist daher eines der wenigen westlichen Länder, das sich den Luxus eines völligen Verzichts auf die Vermögenssteuer erlaubt. Das vorwaltende Steuersystem enthüllt in eklatantem Maße die Ungleichbelastung der Kapitalbesitzer und der «normalen» Arbeitnehmer. Von einer grundlegenden Steuerreform, die sich Gerechtigkeitsvorstellungen über die Verteilung des erwirtschafteten Sozialprodukts annäherte, ist angesichts der mächtigen Contra-Lobby, die auf die großen Parteien bisher erfolgreich einwirkte, nicht die Rede. Gleichzeitig wurde das Fluchtkapital, das in Steueroasen wie die Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg abwandert, auf mehr als 180 Milliarden Euro geschätzt. Die Steuergewerkschaft berechnete das Volumen der jährlich nicht gezahlten Steuern auf 70 Milliarden Euro.
    Hatte man bisher angenommen, dass die Großunternehmen nicht auch noch als Rentenkassen für die private Altersversorgung ihrer Spitzenmanager fungierten, hat der «SPIEGEL» unlängst den Blick auf diese geheime Rentenwelt geöffnet. So stehen z.B. bekannten Schlüsselfiguren erstaunliche Rentensummen als einmalige Blockzahlung oder in Jahresbeträgen nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst zur Verfügung:

Zetsche/Daimler
29,6 Millionen
Winterkorn/VW
19,7 Millionen
Ackermann/Deutsche Bank
18,8 Millionen
Löscher/Siemens
12,8 Millionen
Teyssen/EON
11,7 Millionen
Schulz/Thyssen-Krupp
11.4 Millionen
v. Bomhard/Münchner Rück
10.4 Millionen
Reitzle/Linde
10.1 Millionen
Großmann/RWE
10.0 Millionen
Diekmann/Allianz
9.5 Millionen
    Der von der Post wegen Steuervergehen entlassene Vorsitzende Zumwinkel hat übrigens nach seinem Abgang auch noch zwanzig Millionen Euro als Betriebsrente erhalten. Außerdem gelten günstige Regeln für den Ruhestand, denn die Vorstandsvorsitzenden gehen manchmal schon mit 60 Jahren «in Rente». Es gibt auch keine Rentenkürzung, wenn sie früher in den Ruhestand treten. Auch die Ehefrauen können mit 60 Prozent des Einkommens als Ruhegehalt rechnen, Kinder bis zum Ende der Ausbildungszeit mit dem 25. Lebensjahr kommen auch noch jährlich auf 125.000 Euro. Erst neuerdings haben große Unternehmen wie Daimler, die Post und die Deutsche Bank in neuen Verträgen nicht mehr hohe Prozentsätze des letzten Gehalts als Pensionszahlung garantiert; bisher gültige Ansprüche blieben davon unberührt.
    Alle solche Topmanager, die der Selbstbedienungsmentalität nachgaben, hätten mühelos mit ihren privaten Mitteln für den Ruhestand sorgen können. Ein schlichter Arbeitnehmer aus ihren Betrieben könnte nach vier Jahrzehnten, in denen er die Höchstbeiträge der gesetzlichen Rentenkasse gezahlt hätte und mit 65 Jahren in den Ruhestand getreten wäre, maximal mit einer Rentenhöhe von 350.000 Euro rechnen. Insgesamt stellen diese Rentengeschäfte, wie Peer Steinbrück unlängst geurteilt hat, ein «katastrophales Signal» dar. Und Edzard Reuter, der erfahrene Ex-Vorstandschef von Daimler-Benz, sieht allgemein durch die Einkommensexplosion der Topmanager eine «Grenze überschritten», deren «Missachtung nicht mehr nachzuvollziehen» sei. Die «Schutzvereinigung der Wertpapierbesitzer», alles andere als eine radikale Vereinigung, erklärte unlängst empört ein Gehalt von zehn Millionen zur absoluten Grenze. Doch ihr Präsident beeilte sich mit dem Einwand, dass vielmehr fünf Millionen eine durchaus akzeptable Grenze verkörperten, denn «dafür kriegt man alle guten Leute». Mit unverhohlener Bitterkeit hat Bundestagspräsident Norbert Lammert die «gigantischen Einkommensunterschiede, die nicht zu rechtfertigen sind», unlängst kritisiert. Dabei gehe es um die «Verselbständigung der Gehaltsfindung, die den Verdacht der Selbstbedienung nahelegt.» Lammert erklärte sich «fassungslos über die Skrupellosigkeit», mit der

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