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Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)

Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)

Titel: Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ulrich Wehler
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von 11.9 auf 42 Prozent und von Wertpapieren von 8 auf 45.8 Prozent der Erwerbstätigen. Das Vermögenseinkommen stieg zwischen 1970 und 1995 für die Bauern um 815.2, die Selbstständigen um 638.2, die Beamten um 572.9, die Angestellten um 535.5, die Arbeiter um 507, und die Rentner um 508.5, für die Pensionäre sogar um 714 Prozent.
    Auch die Verteilung des Nettovermögens auf die fünf Quintile ist in den ersten 60 Jahren der Bundesrepublik auffällig stabil geblieben. In dieser Hinsicht unterscheidet sich seine Distribution nicht von der starren Struktur der Einkommen. Die Kluft zwischen selbstständiger und abhängiger Arbeit blieb ebenfalls erhalten. 1950 besaßen die unselbstständigen Haushalte ein Vermögen von 4400, die Selbstständigen aber von 55.000 DM. 1970 lauteten die Durchschnittsziffern 39.300 und 415.000 DM; sie klettern, während der Abstand zwischen ihnen anstieg, seither weiter in die Höhe.
    Die zunehmende Vermögenskonstellation wird noch dadurch verstärkt, dass zum zweiten Mal eine Erbengeneration – erstmals wieder nach der Hochkonjunkturperiode vor 1914 – in den Genuss einer atemberaubenden Erbmasse kommt, zu deren Erwirtschaftung sie selber nichts beigetragen hat. In den späten 90er Jahren wurden die ersten Milliarden von der Aufbaugeneration des «Wirtschaftswunders» vererbt. Dann aber setzte erst recht eine massive Erbschaftszuteilung ein. Zwischen 2000 und 2010 wurden, sage und schreibe, zwei Billionen Euro vererbt. In 37.5 Millionen Haushalten hatte sich bis dahin ein Vermögen von 7.7 Billionen Euro angesammelt, und davon befanden sich zwei Billionen in der Verfügungsgewalt von Haushalten, die in diesem Jahrzehnt durch Tod erloschen sind. Diese sogenannten Erblasserhaushalte (8.1 Millionen) umfassten ein gutes Fünftel (21 %) aller Haushalte. Bis 2010 erhielten die Empfänger 71 Prozent der Erbmasse im Wert von 1.4 Billionen, 0.6 Billionen kamen später noch hinzu. Dieses Gesamterbe zwischen 2000 und 2010 mit seinen zwei Billionen umfasste 27 Prozent des Nettovermögens aller Privathaushalte. Für die Erben des folgenden Jahrzehnts von 2010 bis 2020 gilt die Begünstigung in noch höherem Maße, da die lange Prosperitätsphase den Aufbau vererbbarer Vermögen mit wiederum mindestens zwei Billionen erleichtert hat. Denn das «Deutsche Institut für Altersvorsorge» hat, über die Prognose des Statistischen Bundesamtes hinaus, unlängst geschätzt, dass seit 2010 in jedem Jahr sogar 260 Milliarden den Besitzer wechselten. So gesehen wird es sich in dieser Dekade sogar um 3.2 Billionen an Erbmasse handeln. Erst danach wird allmählich ein deutliches Schrumpfen der Erbmasse einsetzen.[ 19 ]
    Ohne kontroverse Debatten werden mithin in den zwei Dekaden von 2000 bis 2020 vier Billionen Euro an Erbmasse in private Hände bewegt. Besäße die Bundesrepublik eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent, wie es sie in anderen Ländern gibt, hätte sie in dieser Zeit zwei Billionen Euro gewonnen, die für den Ausbau des Bildungssystems und der Verkehrswege, die Renovierung der Infrastruktur in den west- und ostdeutschen Städten und andere dringende Aufgaben ohne jede weitere Belastung des Steuerzahlers hätten eingesetzt werden können. Anstatt jedoch die Erbschaftssteuer endlich anzuheben, ist sie unter dem Druck der Lobby unlängst noch weiter abgesenkt worden, so dass die Verbesserung des Gemeinwohls erneut krass missachtet worden ist. Warum ist das Problem nicht auf die politische Agenda gesetzt worden?
    Bis 2020 dürfte ohne eine steuerpolitische Remedur die Distribution der Erbmasse die Vermögenskonzentration weiter machtvoll vorantreiben. Denn während die sog. Kleinerben (22 %) mit relativ geringen Beträgen abgefunden werden, erhalten die sog. Großerben (2 %) jedes Jahrzehnt mehr als eine halbe Billion Euro, die sowohl aus Geldvermögen als auch aus Betriebs- und Immobilienvermögen bestehen. Inzwischen hat sich die typische Vermögenszusammenballung folgerichtig fortgesetzt. 1993 besaß das erste Dezil 44 Prozent des Nettogeldvermögens aller Haushalte. 2008 wurden bei dem reichsten Zehntel, sage und schreibe, 61 Prozent aller Privatvermögen registriert.
    Ein zweiter Konzentrationsprozess spielt sich auf den Rängen der Wirtschaftselite ab, die ihrem amerikanischen Vorbild rücksichtslos gefolgt ist. Denn seit der Präsidentschaft von Ronald Reagan sind die Einkünfte der Topmanager an der Spitze der Hierarchie in einem atemberaubenden Tempo höhergetrieben worden. Das

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