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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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eine Traditionalistin, gefangen in Vorstellungen von Zauberei und Magie. Kongzi hat so etwas nie interessiert, er hat sein Leben lang nie die Begriffe »Gott« oder »Geister« in den Mund genommen. Er erkannte frühzeitig, dass ihm nur Wissen die Möglichkeit zum Aufstieg bot. Die Chancen dafür waren in der besonders düsteren und kriegerischen Epoche, in der er lebte, alles andere als gut. So versuchte er sich von Lehrern aller Art das Beste anzueignen; Vorbilder fand er in den weisen Herrschern einer früheren Epoche, bei den Königen Wen und Wu sowie dem Herzog von Zhou. Diese Politiker idealisierte und instrumentalisierte er: Konfuzius verstand sich als Vertreter einer ehrwürdigen Tradition, von der er behauptete, sie sei nur durch die Wirren seiner Zeit zurückgedrängt worden. Er präsentierte sich selbstbewusst als derjenige, der ausersehen war, diese Tradition wiederzubeleben. »Seit Langem schon fehlt dem Land der rechte Weg, doch der Himmel wird den Meister zu seiner Glocke machen«, notierte einer seiner Jünger.
    Im Kleinstaat Lu, zu dem der Ort Qufu damals gehörte, tobten interne Machtkämpfe, bei Auseinandersetzungen mit anderen Fürstentümern wateten die Herrscher geradezu in Blut. Konfuzius lebte in einer Zeit des Umbruchs. Das chinesische Feudalreich war zerfallen und damit auch die Glaubwürdigkeit seines mythologischen Wertesystems. Der Kampf gegen Dongluan , gegen das Chaos, wurde für den jungen Mann zur Herzensangelegenheit. Nur die Stabilisierung der politischen und sozialen Verhältnisse schien ihm eine Chance, das Volk friedlich zu einigen. Er stellte die Menschen in den Vordergrund seiner Lehren, pries Tugenden wie Rechtschaffenheit und Verantwortungsbewusstsein. Vor allem aber sollte der ethische Kodex jedem seiner Anhänger bewusst werden. »Mit den gesellschaftlichen Umbrüchen, als die Grenzen von Familien transzendierten, bekamen Leute wie Konfuzius es zunehmend mit Fremden zu tun, deren Verhaltensmuster ihnen nicht vertraut waren: In dieser Situation wurden allgemeine Regeln des Umgangs notwendig. Moral wurde zum integrierenden Element, eine persönliche, innere Qualität, die entschieden im Gegensatz zu den äußeren Prestigesymbolen der Adelsschichten steht«, schreibt der Hamburger Sinologieprofessor Kai Vogelsang in seinem wichtigen Buch über die Geschichte Chinas .
    Konfuzius knüpft dabei formal an die Werte der alten Gesellschaft an. Er misst den Ahnenopfern, der Verantwortung des Sohns gegenüber dem Vater große Bedeutung bei. Aber gleichzeitig schafft er Neues. Er überträgt nämlich die familiären Handlungsregeln auf das weitere soziale Umfeld. Auch der Ungekannte außerhalb des Clans soll nun als Gleichwertiger behandelt werden, Rücksichtnahme und Menschlichkeit werden zu zentralen Begriffen des Konfuzius-Denkens.
    Wie soll man denn eine große Menschenmenge in den Griff bekommen, wurde Konfuzius laut einem Text der Gesammelten Worte (Lunyu) einmal auf einem besonders gut besuchten Markt gefragt. »Macht sie wohlhabend«, antwortete der Meister. »Und unterrichtet sie.« Ein anderes Mal, gleichfalls eingekesselt in einer Menge, beantwortete er die Frage nach der Kontrolle der Untertanen durch die Regierenden: »Die ist nur möglich mit genügend Soldaten, genügend Getreide, dem Vertrauen des Volkes.« Was denn am ehesten verzichtbar sei? »Das Militär.« Und dann? »Vielleicht auch das Getreide – aber niemals das Vertrauen der Bevölkerung.«
    Populär machten ihn seine Ansichten nicht. Die Gesellschaft, in der er lebte, war noch nicht reif für seine Ideen, es herrschten Ausschweifung und Verschwendung. Historiker beschreiben die Lebzeiten des Konfuzius als Epoche des Verrats, der Intrigen, der politischen Morde. Meister Kong zog von Ort zu Ort, »wie ein herrenloser Köter«, soll er einmal über sich gesagt haben. Er bot sich als Lehrer und Regierungsberater an, meist ohne zu reüssieren. Nur einmal hat er es zwischenzeitlich in Lu zu einem höheren Posten in der Justiz gebracht, er war ihn aber schnell wieder los, ein offensichtlich zu unbequemer Chef. Immerhin gelang es Meister Kong, 3000 Schüler um sich zu scharen. Die meisten dürften Handwerker und Händler gewesen sein, angeblich waren auch zwielichtige Gestalten mit dabei. Sie standen alle nicht sonderlich hoch in der Achtung des Meisters, der sich gern in Publikumsbeschimpfung übte: »Chai ist dumm, Shen ist plump, Shi ist ordinär, You ist roh.« Die Männer aus dem Volk wären wohl davongelaufen,

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