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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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und konnten Steuern erheben; sie lebten im Kaiserreich wie die Könige. Und einmal im Jahr kam der Herrscher, mit dem Mandat des Himmels ausgestattet, persönlich vorbei und besuchte seine »erste« weltliche Familie. »Einzig zu diesem Anlass wurde das zeremonielle Südtor geöffnet«, erzählt der Museumsdirektor. »Die Stadt Qufu ist um diese Mansions herum entstanden, sie war wegen ihrer Privilegien immer sehr wohlhabend.«
    Wir wandern über den »Pavillon des Roten Kelchs« zur »Halle der Loyalität und Enthaltung« und hinüber zu dem für die Öffentlichkeit sonst unzugänglichen »Turm der Zuflucht«. Dorthin konnten sich die Hausherren zurückziehen, wenn sie sich nicht sicher fühlten. Ursprünglich war die Anlage schon im 11. Jahrhundert gebaut worden, aber immer wieder brannten manche der Häuser mit ihren geschwungenen roten Dächern ab. 1937 verließen die meisten Familienangehörigen das Herrenhaus, um den Kriegswirren zu entgehen. In den Sechzigerjahren zerstörten die Rotgardisten einen Teil der Bibliothek und viele Figuren, doch die meisten alten Möbel und Kunstgegenstände konnten die Besonnenen verstecken und somit für die Nachwelt retten. Kong Xianglin erzählt, gerade sei ein Ehepaar aus Taiwan zu Gast, ihr erster Trip zurück nach Qufu, nachdem sie im Bürgerkrieg Hals über Kopf das Weite gesucht hatten. Der dynamische Museumschef, Mittfünfziger, gehört ebenfalls zum berühmten Familienclan, 78. Generation. Er hat damals, »in den schwierigen Zeiten«, niemandem von seiner Abstammung erzählt. Heute ist er sehr stolz auf die Sippe, sie bringt ihm Ehre – und einträgliche Arbeit.
    Reiche Konfuzius-Nachfahren aus Hongkong, Taiwan und Japan finanzieren ein Mammutprojekt, dessen Leitung er übernommen hat und das die Behörden der Volksrepublik »mit Wohlwollen begleiten«, wie er sagt. Kong Xianglin soll für eine Neuauflage des Stammbaums sorgen. Die letzte Zählung aus dem Jahr 1938 registrierte rund 650000 Nachfahren, nur Männer wurden in den 140 Ahnenbänden erfasst. Jetzt sind auch Frauen gefragt, das Geschlecht, dem Konfuzius – hierin ganz Sohn seiner Zeit – wenig zugetraut hat. »So leisten wir einen Beitrag zur Gleichberechtigung, von den genealogischen Erkenntnissen ganz abgesehen«, meint der rührige Ahnenforscher von Qufu. Er schätzt, es könnten, durch Computerdateien gestützt, weltweit über vier Millionen Eintragungen werden. Das wären dann mehr Kongs als Iren oder Neuseeländer.
    Der Museumsdirektor sieht mit einigem Schrecken auf die Geschichte zurück. Er weiß, wie übel dem Meister über die Jahrhunderte mitgespielt wurde. Er kennt die Neokonfuzianer der Mandschu-Zeit, die aus ihm einen Fundamentalisten machen wollten. Er hat die maoistische Verfemung erlebt, die an dem Gedankengebäude des Weisen nur Verdammenswertes fand. Er beobachtete das Tauwetter der späten Siebzigerjahre, als zunächst noch sehr zaghaft neben den »falschen« Lehren auch »richtige« erkannt wurden. Er war dabei, als Konfuzius zu Beginn der Achtziger wieder Anerkennung fand und 2004 dann wieder zum Vorbild für die ganze Gesellschaft aufgebaut wurde, als Regierungsvertreter nach Qufu kamen, Blumen an seinem Altar niederlegten. Er hofft, dass es diesmal das finale Konfuzius-Comeback ist, und dass der große Denker nicht wieder auf Einzelaspekte seiner Lehre reduziert wird. »Meister Kong war bei den Regierenden immer besonders gefragt, wenn sie Stabilität und Harmonie suchten, leider auch besonders, wenn sie von eigenen Fehlern ablenken und das Denken gleichschalten wollten«, sagt Herr Kong.
    Lange Zeit dachte die KP , dieser Zusammenhalt könne durch kommunistische Lehren und die Achtung vor der Partei erreicht werden. Der Zynismus, mit dem die Menschen in der Volksrepublik die Korruption der Kader betrachten, erfordert aber längst eine andere Antwort. Konfuzius soll nun für die »harmonische Gesellschaft« sorgen, die Pekings Politiker als oberstes Ziel ausgerufen haben. Wie weit die Volksrepublik von solchen Idealvorstellungen entfernt ist, zeigt sich in der endemischen Korruption auf allen Ebenen, im zunehmend rücksichtslosen Umgang mit den Alten, in der Mitleidsmüdigkeit gegenüber den Verlierern der Gesellschaft, in einem kruden Materialismus, der zur neuen, alles bestimmenden Religion geworden ist. China heute, das ist auch ein Staat am Scheideweg zwischen Manchester-Kapitalismus und sanftem Konfuzianismus, zwischen der Herrschaft der Partei und der Herrschaft des

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