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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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mehr ein G8-Club wie früher, wir sind jetzt ein gesunder und wichtiger Bestandteil einer Neuordnung der Welt hin zum Multilateralismus. Die BRICS haben sich verpflichtet, die Anwendung der Gewalt zu ächten und den internationalen Frieden durch Verhandlungslösungen zu stärken. Ich habe mich beispielsweise bei der Kopenhagener UNO -Klimakonferenz eng mit China und Indien abgesprochen und wir haben es geschafft, eine gemeinsame Position zu formulieren.«
    Was sie nicht sagte: Das war jene Konferenz, in der die neuen Mächte den Westen brüskierten und selbst den US -Präsidenten Barack Obama regelrecht vorführten. Sie weigerten sich, irgendwelche verbindlichen Zusagen über die Beschränkung ihres CO 2 -Ausstoßes zu machen und verhinderten jedes völkerrechtlich bindende Abkommen. Beim jüngsten NSA -Skandal, der die flächendeckende Überwachung durch den US -Militärgeheimdienst auch in Brasilien nachwies, reagierte kaum ein internationaler Politiker verbal so scharf wie Rousseff. Sie weiß allerdings, dass ihr Land die Amerikaner braucht. Sie ist Pragmatikerin und lässt deshalb den Worten keine Straftaten folgen.
    Die brasilianische Mischung aus international konkurrenzfähigen Industrien und den riesigen Vorkommen an Bodenschätzen müsste ein Erfolgsrezept sein. Doch eine lähmende Bürokratie, mangelhafte Infrastruktur, fehlende Investitionen hemmen den schnellen Fortschritt. Dazu kommt ein kryptisches Steuersystem, das ein Chefberater von SAP in Rio 2013 so beschreibt: »In den USA werden pro Jahr 80 Tage benötigt, um die Veränderungen der Steuerregeln in unsere Computer einzuarbeiten, in Deutschland 150, in Brasilien 3000.« Die Präsidentin hat ihre Prioritäten anders gesetzt und zu lange darauf vertraut, dass sich diese Dinge in Boom-Zeiten mehr oder weniger von allein regeln. Immerhin hat sie im Protest-Sommer 2013 den Demonstranten zugehört und wenigstens im Ansatz versucht, den berechtigten Forderungen nachzukommen – im Gegensatz etwa zum türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan, der einen vergleichbaren Aufstand der Mittelklasse in seinem Land brutal niederprügeln ließ. BMW und auch Daimler lassen sich nicht abschrecken, investieren Milliarden in neue brasilianische Werke.
    Im Jahr 2025 wird man mit großer Befriedigung zurückblicken: Trotz vieler Pannen im Vorfeld haben es die Brasilianer in einem nationalen Kraftakt und mit viel Improvisationsgabe geschafft, alle Stadien rechtzeitig fertigzustellen. Die Fußballnationalmannschaft hat sich, für viele unerwartet, durch die individuelle Klasse einiger Spieler bis ins Finale gedribbelt. Und auch das Fest der Ringe verlief dann, trotz zahlreicher Demonstrationen, problemlos. Brasilien ist 2025 zur viertgrößten Wirtschaft der Welt geworden, vorbeigezogen an Frankreich wie an Großbritannien.
    Um die krassen Lebensunterschiede zu beseitigen, gar »die Armut abzuschaffen«, reicht das allerdings nicht annähernd: Der Fortschritt ist relativ. Noch immer sind die meisten Favelas des Landes nicht befriedet. Deren Einwohner verschaffen sich in Bürgervereinen und über die unabhängige Presse lautstark Gehör. Sie gehen zur Wahl und entscheiden sich gegen die Amtsinhaber, die viel versprochen, aber wenig getan haben. Die demokratischen Institutionen funktionieren, die Zivilgesellschaft scheint intakt. Aber wie in Indien mündet das nicht automatisch in mehr Gerechtigkeit für die Unterprivilegierten.
    Und Brasilien 2025 ist auch aus einem anderen Grund keine reine Erfolgsgeschichte: Den Rousseff-Nachfolgeregierungen glückt es nicht, den Amazonas-Raubbau entscheidend zu bekämpfen. An dem riesigen neuen Staudamm Belo Monte am Xingu-Fluss, für den so viele Indio-Dörfer zwangsgeräumt wurden, zeigen sich erste Risse, die Warnungen von Umweltschützern scheinen sich zu bewahrheiten. Nicht viel besser sieht es 2025 um den Flirt des brasilianischen Militärs mit der atomaren Bewaffnung ihrer Flotte aus – die IAEA in Wien prangert in scharfen Worten an, dass das Land internationale Vereinbarungen breche und sich nicht ausreichend von den UNO -Experten kontrollieren lasse. Daraufhin drohen die wiedererstarkten Militärs 2025 sogar mit dem Austritt aus dem Nichtverbreitungsvertrag.
    Auf der eher heiteren Seite könnte man eine andere Episode verbuchen: Angela Merkel und Dilma Rousseff, die sich während ihrer Amtszeit nicht grün waren und nun seit 2018 in Pension sind, veröffentlichen gleichzeitig ihre jeweiligen Lebenserinnerungen bei deutschen

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