Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
politischen Kräfte, ein krasses Auseinanderdriften der Gesellschaftsschichten, eine verunsicherte, durch Kriege in Irak und Afghanistan überdehnte Außenpolitik, eine Infrastruktur mit maroden Straßen und Brücken, wie sie sonst nur Dritteweltländer haben: Es fällt nicht schwer, die USA im Jahr 2013 als eine Weltmacht im Niedergang zu zeichnen: Der »Rest« der Welt steigt auf, Amerika fällt immer weiter zurück. Bleibt natürlich Supermacht, allein durch die Größe seiner Wirtschaft, die Leitwährung US -Dollar, sein riesiges und großzügig ausgestattetes Militär (immer noch ist der Etat des Pentagon höher als der Etat der nächsten zehn größten Militärmächte zusammengenommen). Aber es ist ein bröckelnder Riese, wirtschaftlich bald nur mehr die Nummer zwei der Welt hinter China, politisch nur noch eine von mehreren Mächten in einer multipolaren Welt. Und das weltweite Spähprogramm der NSA hat vor allem in Lateinamerika und Westeuropa das Image Washingtons weiter eingetrübt.
Die Lage der USA im Jahr 2025 sieht jedoch besser aus, als von den meisten vorhergesagt – und dafür gibt es einen wesentlichen Grund: Fracking. Die neue Technik, mithilfe von Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck Erdgas aus den Tiefen des Bodens zu pressen, hat die Vereinigten Staaten vom großen Energie-Einfuhrland zum Energie-Ausfuhrland gemacht. Trotz einiger Unfälle mit der umweltgefährdenden Prozedur und der Schließung von Feldern, die hochgesteckte Erwartungen nicht erfüllen konnten, haben sich die USA insgesamt erfolgreich auf diesen gefährlichen Weg begeben. Die Autarkie mit den niedrigen Energiepreisen führt dazu, dass Industriejobs wieder nach Amerika zurückkehren. Und sie verführt dazu, dass die Amerikaner ihre Energiesparziele stark vernachlässigen. Da sich die Entwicklung erneuerbarere Energien kaum noch lohnt, fallen die USA in diesem weltweiten Zukunftsmarkt stark zurück. Dabei mangelt es im Jahr 2025 nicht an Arbeitskräften, anders als in den meisten Staaten in Europa und auch in China. Aber es gelingt nicht, deren Produktivität zu erhöhen. Und die staatlichen Investitionen in die Wissenschaft haben besorgniserregend abgenommen – prozentual zum Budget um die Hälfte seit Anfang der Sechzigerjahre.
Auch außenpolitisch hat die positive Wende bei der Ausbeutung natürlicher Ressourcen Bedeutung: Die USA müssen sich jetzt weniger Gedanken um die Erdölrouten im Nahen Osten machen und dubiose Staaten wie Saudi-Arabien nicht mehr hofieren. Generell gilt: Leading from behind , die noch von Präsident Barack Obama vorgegebene Linie. Die USA begnügen sich damit, aus dem Hintergrund zu führen, sie halten sich bei internationalen Konflikten militärisch zurück. Die republikanischen Nachfolger im Amt verändern den vom ersten schwarzen Präsidenten vorgegebenen Kurs allenfalls in Nuancen. Nur im Pazifik zeigt Washington auffallend seine militärische Präsenz. Die Rivalität mit China hat sich 2025 verstärkt, mehrere amerikanische Flugzeugträger stehen der chinesischen Flotte gegenüber. Japan und die Staaten Südostasiens begrüßen die amerikanische Präsenz, garantiert sie doch ein friedenserhaltendes Patt.
Washington wie Peking haben nach der Implosion Nordkoreas, dem völligen Zusammenbruch des Systems, Anfang 2020 akzeptiert, dass die gesamte Halbinsel zur atomwaffenfreien Zone deklariert wird. Das wiedervereinigte Korea ist über Jahre mit der Organisation der Flüchtlingsströme und dem politischen wie wirtschaftlichen Zusammenhalt beschäftigt. Auch China zwingen die Flüchtlingsströme aus Nordkorea dazu, sich mehr auf die Innenpolitik zu konzentrieren. Mit den BRIC S-Staaten Indien und Brasilien pflegen die neuen Herren im Weißen Haus gute, wenngleich nicht spannungsfreie Beziehungen.
Die großen Konfliktherde von 2013 sind auch 2025 geblieben. Im Nahen Osten hat sich durch die Teilung Syriens die Kriegsgefahr erhöht. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern schwelt nach dem endgültigen Scheitern der Zweistaatenlösung weiter und wird von Hardlinern auf beiden Seiten angeheizt. Die Spannungen zwischen dem sunnitischen Machtblock um Saudi-Arabien, Ägypten und Katar und den Schiiten in der Region scheinen unauflösbar. Eine gute Nachricht gibt es aus der Region: In Teheran haben sich gemäßigte religiöse Kreise durchgesetzt, die vorsichtig eine Annäherung an den Westen suchen. Das macht es für das Weiße Haus leichter, mit dem iranischen Atomprogramm umzugehen
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