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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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Arbeitslosigkeit, Analphabetenrate, Gesundheitsfürsorge – ist Indien hinter China zurückgefallen und, bis auf das etwas höhere prozentuale Wirtschaftswachstum, auch hinter Brasilien. Peking lässt seine Überlegenheit die indische Führung auch außenpolitisch spüren. Die ultimative Demütigung findet im Frühjahr 2013 statt. Da entschließt sich China die zwischen beiden Staaten umstrittene Grenze einfach nach Gutdünken zu definieren: Pekings Truppen dringen 19 Kilometer über die Demarkationslinie zwischen den beiden Staaten vor und machen es sich im Land des Konkurrenten drei Wochen lang in mitgebrachten Zelten gemütlich, bevor sie sich schließlich zurückziehen.
    Dabei hat die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den beiden BRIC S-Giganten stark zugenommen, das Handelsvolumen hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten verfünffacht. Es gibt von der Klimapolitik bis zum Kampf gegen die westliche Dominanz in internationalen Organisationen zahlreiche Gemeinsamkeiten. Aber dabei ist immer klar, wer der stärkere Partner ist. Ostasien-Experte Srikanth Kondapalli spricht von einer »wachsenden Asymmetrie der Macht« zwischen China und Indien und fordert Delhi auf, dem entgegenzusteuern. Doch das krisen- und korruptionsgeschüttelte Indien macht 2013 nicht den Eindruck, es sei dazu in der Lage.
    Das heutige Indien ist keinesfalls durchgehend ein gelähmtes Land: Es zerfällt nur immer mehr in relativ wenige Weltklasse-Firmen, Top-Forschungseinrichtungen und Top-Universitäten auf der einen Seite und in seine skandalös rückständigen Dorfgemeinschaften auf der anderen Seite. Die regionalen Unterschiede verschärften sich: Solide regierte Bundesstaaten wie Gujarat, Bihar und Orissa schaffen 2013 Wachstumsraten um die 10 Prozent, andere Regionen tendieren gegen null, und von der Zentrale kam wenig Ermutigendes. Auch der soziale Zusammenhalt scheint immer mehr gefährdet, durch Vetternwirtschaft, durch schamlose Bereicherung von Amtsträgern, durch die Selbstmordwelle verzweifelter Bauern. Und durch die zahlreichen Vergewaltigungen, die zeigten, wie sehr Frauen in Indien immer noch als Menschen zweiter Klasse, als Freiwild angesehen waren.
    Positiv fällt ins Gewicht, dass die neue Mittelklasse des Landes 2013 nicht mehr bereit scheint, all das hinzunehmen. Mit Massendemonstrationen zwingt sie die Politik zur Reaktion. Die indische Zivilgesellschaft lebt, die Demokratie und ihre Institutionen, wie etwa eine freie Presse, sind intakt. Es gibt Pluspunkte, die Indien im Tanz der Riesen, beim Konkurrenzkampf mit dem Reich der Mitte doch noch ausspielen könnte. Auch wenn es 2013 schwerfällt, so optimistisch zu sein wie der britische Historiker Timothy Garton Ash, der schreibt: »Ist es programmiert, dass China das Rennen gewinnen wird? Nein, weil das indische System eine tägliche Seifenoper von kleinen Krisen ist; die große Krise aber von Chinas widersprüchlichem System des leninistischen Kapitalismus steht noch aus. Und nochmals nein, weil Indien ein freies Land ist mit einer absolut erstaunlichen Vielfalt an menschlichen Talenten und Persönlichkeiten, an Originalität und Spiritualität.«
    Im Jahr 2025 wird Indien durch die schiere Größe seiner Wirtschaft und die Anzahl seiner Konsumenten in der ökonomischen Welthierarchie weiter vorgerückt sein. Weitere 200 Millionen haben den Aufstieg in die Mittelschicht geschafft. Die krassen Gegensätze im Land sind nicht verschwunden, aber sie sind immerhin etwas kleiner geworden. Nach dem Ende der Gandhi-Dynastie haben neue Regierungen ein Multimilliardenprogramm für Bildung aufgelegt, der Traum von Computern in jeder Dorfschule ist wahr geworden. Bei der »Befreiung« der Bauern von sklavenähnlichen Zuständen haben die Verantwortlichen in Neu-Delhi auf eine Kombination von staatlichen Zuschüssen und privaten Anreizen gesetzt – und dabei endlich ihre falsche Scham überwunden und ausländische Hilfe angenommen. Brasilianische Experten überwachen ab dem Jahr 2020 an der Seite ihrer indischen Kollegen jetzt aus Südamerika übernommene Sozialprogramme, die dort die Kluft zwischen Arm und Reich zumindest ein klein wenig zu schließen halfen. Indien, das in der Vergangenheit meist so miserabel regiert wurde, hat nun eine passable Verwaltung. Und die fördert den wirtschaftlichen Austausch nicht nur unter den BRIC S-Staaten. Von günstigen Investitionsbedingungen angelockt, haben deutsche Autofirmen so viele Produktionsstätten in Indien aufgebaut wie zuvor

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