Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
in der Volksrepublik: Gegen Ende des dritten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts sind die Bevölkerungskurven dabei, sich zu überschneiden. Chinas 1,5 Milliarden Menschen stehen in Indien 1,5 Milliarden gegenüber – Tendenz in China stagnierend, in Indien steigend. Und das bedeutet auch: Immer mehr Konsumenten, die sich etwas leisten können.
Die indischen Megacities aber gehören weiterhin zu den problematischsten Orten der Welt. Fließendes Wasser, Elektrizität und eine Toilette für jeden Haushalt bleiben ein Fernziel. Noch greift die für Indien sprechende demografische Dividende kaum, weil die zahlreichen jungen Leute nicht gut genug ausgebildet sind. Wenn auch im Jahr 2025 nicht mehr 44 Prozent der Kleinkinder im Land unterernährt sind, sondern »nur« mehr etwa 20 Prozent, ist dies für das in Teilen so wohlhabende Land eine Schande. In Afrika sind es inzwischen weniger, die in extremer Armut vegetieren müssen.
In der Außenpolitik hat sich 2025 für Indien wenig geändert, sieht man von der Fixierung der Grenzen mit der Volksrepublik China ab. Die Feindschaft mit Pakistan hat sich fortgesetzt, immer wieder flammen Konflikte auf. Peking hilft sie zu begrenzen, die KP -Führer unterhalten gute Beziehungen zu beiden Atommächten auf dem Subkontinent. Mit dem einstigen Verbündeten USA hat sich die Regierung in Islamabad schon längst überworfen. Indien ist 2025 größter Waffenimporteur der Welt geblieben und hat sich weiter auf den Ausbau seiner Seemacht konzentriert. Mit dem Zugang zu den ausgebauten Häfen in Sri Lanka und Burma (Myanmar) ist es gelungen, ein maritimes Gleichgewicht mit China zu erreichen. Beide asiatischen Großmächte haben ihren Konkurrenzkampf im Weltall mit Prestigeprojekten fortgeführt.
Das Land, das so großen Wert auf Nationalstolz legt, hat Anfang 2025 etwas zu feiern: Gleich drei Nobelpreise, in Chemie, Physik und Literatur. Und endlich hat Indien es auch geschafft, bei der Neuordnung des UNO -Gremiums chinesische Bedenken zu überwinden und an der Seite von Brasilien und Südafrika einen permanenten Sitz im Weltsicherheitsrat zu bekommen. Doch das Land weiß nicht so recht, wie es seine neu gewonnene Macht einsetzen soll – die Führung in Delhi pendelt zwischen allen Fronten.
THESE VIER: Der brasilianische Musterschüler zeigt unerwartete Fahrfehler, erklimmt aber gerade noch so das Siegertreppchen.
Zwei Schlagzeilen aus der Frankfurter Allgemeinen über Brasilien, erschienen innerhalb weniger Wochen im Frühjahr 2013: »Gigant im Wachstumsstau« – es folgt ein kritischer Bericht über die stockende Wirtschaft, die im vergangenen Jahr gerade mal um ein Prozent zulegte und es in diesem Jahr auf nicht viel mehr als 2 Prozent bringt – und, eine Headline in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung : »Brasilien schafft die Armut ab«. Das ist ein begeisterter Bericht über die Fortschritte des Landes bei der Bekämpfung der finanziellen Not in den unterprivilegierten Schichten. Im Juni 2013 folgte dann nach den Millionen-Demonstrationen gegen Verschwendung und Korruption der Herrschenden der große Brasilien-Blues – nichts schien mehr geblieben von der Vorbildfunktion des südamerikanischen Landes, von seinen positiven Errungenschaften. »Der Optimismus war übertrieben, der Pessimismus ist es auch«, sagt Ilan Goldfajn, Chefvolkswirt der Itaú Unibanco, Brasiliens größter Bank. Ähnlich widersprüchliche Signale sendet, glaubt man internationalen Beobachtern, Südamerikas größter Staat auch in Sachen Umweltschutz: Nach wie vor werden im Amazonas riesige Urwaldflächen abgeholzt, treibt ein Teil der Industrie Raubbau mit der Natur, misshandelt die indigene Bevölkerung, was nicht nur Amnesty International in seinem Jahresbericht 2013 scharf verurteilt. Und fast gleichzeitig meldet Newsweek bei seinen »Green Rankings«, dass zwei brasilianische Firmen unter den weltweit umweltbewusstesten Konzernen sind: Santander Brasil als Nummer eins und Bradesco als Nummer drei (dazwischen liegt übrigens das indische Unternehmen Wipro auf Rang zwei, mit Munich RE und SAP schaffen es auch deutsche Firmen unter die zehn Vorbildlichsten).
In Brasilien scheint ihr Stern im Sinken, aber international gewinnt Präsidentin Dilma Rousseff an Ansehen, vor allem in den Staaten jenseits von Europa und den USA . Eines ihrer wenigen Interviews gewährt sie 2011 der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua und preist dabei den Zusammenschluss der BRIC S über alles. »Die Welt ist nicht
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