Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
gelingt auf Anhieb.
In der folgenden Pause erläutert der quirlige Regisseur mit der schulterlangen Hippie-Mähne: Er dreht eine »romantisch-mythologische Sexkomödie mit Thriller-Elementen, einen Multi-Genre-Film«. Es geht um eine Schmuckkiste, die gestohlen wird und deren Verbleib nur ein kleiner, niedlicher Hund klären kann. Bei der Jagd auf den Schatz gibt es allerlei Verwicklungen mit Leidenschaft, Intrigen und Happy End. Sivan weiß: Den Erfolg seines Films wird nicht die Handlung ausmachen. Entscheidend sind die Stars, die Songs und die Tanzeinlagen. »Masala Movies« heißen diese Film-Produkte nach der indischen Gewürzmischung, und meist beinhaltet die Melange aus verlässlichen Bestandteilen die Liebe, die alle gesellschaftlichen Barrieren überwindet, den sozialen Aufstieg und den Sieg des Guten über das Böse.
Kino hat große Tradition in Bombay: Schon 1896, ein paar Monate nach der ersten Präsentation des Kinematografen in Paris, sind die Brüder Lumière nach Bombay gereist und haben hier das Wunder der bewegten Bilder vorgeführt. 1899 drehten die ersten einheimischen Künstler bereits kurze Unterhaltungsfilme über Zirkusaffen und Ringkämpfe. Indische Filmemacher umgingen geschickt die Zensur, um in den Dreißigerjahren mit patriotischen Untertönen Politik zu machen. Später experimentierten sie auch mit anspruchsvollerem Kino. Satyajit Ray holte in den Fünfzigern mit seinem New-Cinema-Streifen Auf der Straße in Cannes einen Preis und später gewann er auch einen Goldenen Bären in Berlin. 2002 schaffte dann Lagaan (»Landpacht«), ein Monumentalwerk über die britische Kolonialzeit, eine Oscar-Nominierung. Indien wurde auch zum Vorreiter visueller Effekte. Während Los Angeles schläft, sorgen Bombayer Künstler dafür, dass Spiderman übermenschliche Kräfte entwickelt, sie machen für Narnia Pferde zu Zentauren und animieren die Comic-Katze Garfield.
Das Mainstream-Bollywood von heute ist jedoch Massentraum, Musical und Ausstattungsorgie, eine Synthese aus der Erzählkraft der Hindu-Epen Ramayana und Mahabharata mit ihren schrecklich netten, allzu menschlichen Götterfamilien – und aus Klassikern von der anderen Seite der Erde wie Romeo und Julia . Indiens Traumfabrikanten haben längst die Welt erobert. Sie produzieren in Madras, Hyderabad und vor allem in Bombay jährlich um die 900 Unterhaltungsfilme, und damit weit mehr als das amerikanische Filme-Mekka. Ihr Zielpublikum sind vor allem die Menschen auf dem Subkontinent – die Kinohits sind so ziemlich das Einzige, was analphabetische nepalesische Basarhändler, muslimische Militärs in Pakistan mit hinduistischen Hilfsarbeitern und Sofware-Millionären in Indien verbindet. Und die grellbunten Produktionen fesseln nicht nur Südasiaten, sondern haben inzwischen auch Kultstatus in Afrika und Nahost; mehrfach erreichen sie auch Spitzenplätze der Kino-Charts in den USA , in Großbritannien und sogar in Hongkong. 3,6 Milliarden Menschen haben weltweit schon die Hindi-Märchen von Liebe und Laster gesehen, das Land werde seine Vormachtstellung noch ausbauen, meinte der Finanzminister Palaniappan Chidambaram bei einem Besuch in Berlin: »Amerikanische Jugendliche werden in zwanzig Jahren glauben, dass sich der Name Hollywood von Bollywood ableitet.« Der Produzent Amit Khanna formulierte es so: »Die Welt dreht sich in Richtung Indien, und die ultimative Rache ist, dass wir mit unserer kulturellen Aggression jetzt den westlichen Geist erobern.« Ganz so weit ist es in Deutschland noch nicht, aber auch zwischen Nordsee, Bayerischem Wald und der Loreley, wo Bollywood-Produzenten besonders gerne Szenen drehen, haben sich viele mit der kitschigen Kunst infiziert. RTL II erzielte mit einer Reihe von Bollywood-Filmen einen Erfolg, der vor allem bei Jugendlichen weit über dem sonstigen Marktanteil des Senders lag.
Regisseur Sivan hat für seinen »Money Money«-Streifen ganz auf Riya Sen gesetzt. Die Schöne mit dem sexy Hüftschwung und dem langen, schwarzseidenen Haar ist längst mehr als ein Geheimtipp und hat viele treue Fans. Aber eine Erfolgsgarantie ist das nicht – selbst Superstars wie Shah Rukh Khan oder Aishwarya Rai haben schon Flops gelandet. Nur drei von zehn Filmen schaffen es überhaupt, die Produktionskosten wieder einzuspielen. Und gefragte Darstellerinnen wie Riya Sen arbeiten an mehreren Filmen gleichzeitig, sechs seien es derzeit, erzählt sie, eher Durchschnitt – den Rekord hält Altmeister Shashi Kapoor mit 140
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