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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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beklagten, landeten im Gefängnis oder wurden kaltgestellt. Politisch war in den letzten beiden Jahrzehnten wenig von einer Liberalisierung zu spüren. Unbestritten aber ist der phänomenale wirtschaftliche Aufstieg der Volksrepublik. China hat sein Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen 35 Jahren etwa verdreißigfacht, hat Deutschland wie Japan überholt und wird wohl noch in diesem Jahrzehnt auch an den USA vorbeiziehen und zur Nummer eins werden. Nach einer Erhebung von Forbes hat eine spektakuläre andere ökonomische Wachablösung schon im Frühjahr 2013 stattgefunden: Zwei chinesische Banken überholten die wertvollsten US -Unternehmen JP Morgan Chase, General Electric und Exxon Mobil und setzten sich an die Spitze der führenden Firmen der Welt: die Industrial and Commercial Bank of China eroberte Rang eins, die China Construction Bank Rang zwei (weitere drei chinesische Unternehmen landeten vor dem ersten deutschen, der Volkswagen AG , auf Platz 14). »Noch nie in der Geschichte wurden so viele Menschen in so kurzer Zeit aus der Armut befreit, noch nie ist in so kurzer Zeit so viel Wohlstand entstanden«, meint der in Harvard lehrende Sinologe Roderick MacFarquhar, sonst durchaus KP -kritisch. Und wahr ist auch: Kein Staat hat nur annähernd so viele Devisenreserven aufgehäuft; wenn Peking wollte, könnte es auf einen Schlag alle im Dax gelisteten deutschen Wirtschaftsunternehmen aufkaufen – und müsste dafür nicht mehr als ein Drittel seiner Drei-Billionen-Dollar-Rücklagen aufwenden.
    Chinas Herrscher streben allerdings längst nach mehr: Sie wollen ihr Land als Modell gewürdigt wissen, als eine Alternative zum westlichen Regierungssystem, in Konkurrenz vor allem zur anderen Supermacht. Und tatsächlich haben sich in Afrika und Lateinamerika Politiker (und in Europa auch viele Wirtschaftsführer) mit der Idee angefreundet: entfesselter Kapitalismus ohne Wahlen und ohne andere, die Planungssicherheit störenden demokratischen Elemente. Eine gleichsam »milde« Autokratie, eine pragmatische und flexible Einparteienherrschaft, in der sich nach fruchtbaren, auch mal kontroversen Diskussionen um den besten Weg meritokratisch die besten Manager durchsetzen.
    Im Politbüro, bestehend aus 24 Männern und einer Frau, herrscht laut US -Diplomaten, deren Pekinger Geheimdepeschen über WikiLeaks veröffentlicht wurden, tatsächlich ein »Konsenssystem, in dem Mitglieder das Recht haben, ein Veto einzulegen«, sich dann aber an den gemeinsamen Beschluss gebunden fühlen. Nichts fürchtet die Partei mehr als luan , das Chaos, das zur Auflösung des Riesenreichs von den Rändern her führen könnte; nichts propagiert sie entschiedener als hexie shehui , die harmonische Gesellschaft, und neuerdings auch etwas, das sich der »chinesische Traum« nennt. Dafür primär verantwortlich ist der Ständige Ausschuss des Politbüros, der im südlichen Teil des Refugiums Zhongnanhai tagt. Die Top Sieben – seit Kurzem reduziert, lange war es ein Neunergremium – sind die mächtigste Instanz im Reich der Mitte, aus diesem Kreis rekrutieren sich der Präsident und der Premier. Kein Lächeln für die Kameras der Abendnachrichten, gemeinsame Auftritte nur bei sehr besonderen Anlässen und selten länger als ein paar Minuten. Männer in dunklen Anzügen, die Krawatten gedeckt und in ihrem Design so ähnlich, als kauften sie wegen Mengenrabatt en gros, die Haare ganz offensichtlich bei manchen gefärbt, das Durchschnittsalter Anfang siebzig. Durch Charisma fiel bis jetzt keiner auf in dieser Riege stocksteifer Technokraten.
    Etwas zugänglicher als das geheimnisumwitterte Zhongnanhai ist das andere Machtzentrum der Volksrepublik, die Große Halle des Volkes, »Renmin Dahuitang«. Sie liegt an der Westseite des riesigen Tiananmen-Platzes, auf dem auch das Mao-Mausoleum steht. Die Große Halle des Volkes dient der chinesischen Führung als Ort für die Parteitage der KP , das alljährliche Treffen des Nationalen Volkskongresses sowie als Empfangsort für Staatsgäste und zur Veranstaltung großer nationaler Feierlichkeiten. Ein monumentales Bauwerk im Stil des sozialistischen Klassizismus, der, wie es die Legende will, nur mithilfe von Freiwilligen hochgezogen wurde, Bauzeit zehn Monate: 170000 Quadratmeter, über 300 Säle und Büroräume, darunter der Kongresssaal, der über 10000 Plätze bietet, nebst einem Bankettraum für 5000 Gäste. Am Eingang ragen zwölf je 25 Meter hohe hellgraue Marmorsäulen in den Himmel. Wer die Stufen

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