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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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gerade vorsichtig vor einer Immobilienblase auf dem Festland gewarnt, »wir werden das Tempo unseres Grundstückserwerbs drosseln«, sagte er. Wird Li Ka-shing deshalb nicht zum nationalen Vorbild aufgebaut? Oder weil ihm das Parteibuch fehlt? Vielleicht fürchtet das Zentralkomitee aber – trotz aller Patriotismus-Beweise – die Unabhängigkeit des Taipan, der schon mal zu verstehen gibt, dass seiner Meinung nach mutigere wirtschaftliche Reformschritte auf dem Festland nötig seien. Und der erkennen lässt, dass er, zumindest in der Experimentierstadt Hongkong, inzwischen für eine demokratische Regelung eintritt: »Ich bin für one man, one vote«, ließ er kürzlich zur Verblüffung aller verlauten. Für jeden eine Stimme – dieses Prinzip können Chinas Führer nicht gutheißen.
    Im November 2011 hat die Kommunistische Partei Chinas ihren neunzigsten Geburtstag gefeiert. Sie bediente sich dafür durchaus origineller Methoden. So fanden Zigtausende Pekinger auf ihrem Handy mehrere ihnen zugespielte sozialistische Songs vor, mit der Aufforderung, sie weiterzuleiten. Wer nachweisen konnte, mindestens zehn seiner Bekannten so auf das Großereignis eingestimmt zu haben, nahm an einem Preisausschreiben teil, das den Gewinnern Gutscheine zum Einkaufen verhieß. Nicht ganz so populär waren die KP -Kulturwochen zu diesem Anlass. Der aufwendig produzierte Kinofilm Die Gründung einer Partei erwies sich als Ladenhüter. Mitfinanziert wurde der Streifen übrigens von General Motors, die amerikanische Autofirma hatte auch sichergestellt, dass den Schauspielern am Set des Rührstücks über die Entbehrungen der revolutionären Frühzeit immer ihre Cadillacs zur Verfügung standen.
    Die KP Chinas hat fast so viele Mitglieder wie Deutschland Einwohner, 78 Millionen Genossinnen und Genossen machen sie zur größten Partei der Welt, zu einer erfolgreichen – zu einer schrecklich erfolgreichen Partei, sagen viele zwischen Bewunderung und Abscheu hin- und hergerissene westliche Beobachter. Der Kommunismus der Sowjetunion ist im Mülleimer der Geschichte gelandet. Die Parteien Nordkoreas und Kubas haben ihre Völker in den wirtschaftlichen Untergang geführt und gelten als diskreditiert, KP s standen – und stehen – weltweit für unheilbare Sklerose, ihre Herrscher gelten als Dinosaurier: Die sozialistische Idee hat hinreichend bewiesen, dass sie in der Praxis nicht funktionieren kann. Nur in China wirkte dieses Quasi-Naturgesetz wie aufgehoben. Da prägte Anpassung statt Agonie das Bild – kaum jemals gelang es einer Gesellschaft, mehr als drei Dekaden lang wirtschaftlich im Jahresdurchschnitt um über 10 Prozent zu wachsen. Lange Zeit schien es, als könnte ausgerechnet in China der Spagat über alle ideologischen Gräben hinweg funktionieren. Es gab eine Art Sozialkontrakt zwischen Regierenden und Regierten: Wir da oben schaffen Rahmenbedingungen, in denen ihr eure Lebensverhältnisse verbessern könnt – und ihr da unten haltet politisch still, oder wenn ihr schon Kritik übt, dann jedenfalls keine grundlegende, staatsgefährdende.
    Was haben Chinas Kader richtig gemacht, welche Signale haben sie gehört, die anderen Völkern verborgen geblieben sind? Wie konnten sie lange Zeit wirtschaftlich so flexibel und modern reagieren und warum glaubten sie gleichzeitig, ihren Dissidenten mit stalinistischer Härte begegnen zu müssen? Vor allem aber: Was ist passiert, dass Chinas KP jetzt offensichtlich ihr Erfolgsrezept ausgereizt hat, dass sie jedenfalls nicht mehr so ganz sicher ist, wie sie es weiterentwickeln soll?
    Es sind die entschiedenen Herausforderungen, die Weichenstellungen unserer Zeit. Und einige Staaten in Afrika und Asien haben ja längst aufgehört, die westliche Demokratie für das Maß aller Dinge zu halten. Sie versuchen stattdessen das »Pekinger Modell« mit kapitalistischer Wirtschaft und autoritärer Politik nachzuahmen. Ob sich die Partei des Riesenreichs langfristig an der Spitze der Weltwirtschaft halten kann, ohne sich auch politisch zu öffnen, oder ob die Kommunisten doch irgendwann an ihren Widersprüchen scheitern, die ihr rasanter und von keiner Opposition kontrollierter Aufstieg mit sich gebracht hat, diese Frage spaltet Politiker und Denker weltweit. Auf die Widersprüche in China wies Ende 2011 die damalige amerikanische Außenministerin Hillary Clinton hin, das Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich, Stadt und Land; die grassierende Korruption; die schlimmen Umweltzerstörungen; die

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