Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
wird gern gezeigt, was man hat. Auf einem gut gesicherten Parkplatz wetteifern Lamborghinis und Ferraris um Aufmerksamkeit. Und Zhang Kuan, Anfang dreißig und Chef des Clubs, protzt mit einem dunkelgrauen McLaren MP4-12C (Kaufpreis um die 300000 US -Dollar), den er sich im Sommer 2012 eigenhändig aus dem Zollhafen von Tianjin abgeholt hat. Für die 700 Mitglieder werden auch Luxustrips nach Las Vegas und London organisiert. Man bleibt unter sich, und wenn man nachts Rennen fährt, dann eigentlich nur gegeneinander. Tagsüber zeigt man sich gern mit den Model-Freundinnen im Arm. Seinen ersten Wagen hat Zhang 1999 erworben, einen Volkswagen Santana. Dann ging es für ihn schnell aufwärts und er machte ein Vermögen mit »Investments, Immobilien und Versicherungen«, wie er gegenüber der Time etwas vage formulierte. Jetzt nennt Zhang, auch politisch gut vernetzt, neben dem Lotus noch mehrere andere Sportwagen sein Eigen, er sammelt nebenbei auch Luxusuhren. »Die Generation meines Vaters ist nicht so scharf auf die Dinge, die mich umtreiben«, sagt er. »Für ihn heißt Luxus, wenn die ganze Familie sich trifft. Für meine Altersgenossen zählt dagegen immer nur das neueste Spielzeug. So drücken wir uns aus, so leben wir unsere Träume.«
Kennt er zufällig die Provinz Guizhou? Der Chef des vornehmen Sportwagen-Clubs schüttelt den Kopf. »Ist irgendwo im Süden, eine ziemliche Armenprovinz oder nicht?« Nicht schlecht geraten. Guizhou ist statistisch gesehen sogar die ärmste aller chinesischen Provinzen, eine karstige, immer feuchte, wenig fruchtbare und schwer zugängliche Region. Nach einem alten chinesischen Spruch gibt es hier »keine drei Fuß flachen Landes, keine drei Tagen ohne Regen und keinen Menschen mit drei Yuan«. In Guizhou habe ich bei meinen Besuchen auf dem weiten Land in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder beobachtet, wie wenig sich bei den Ärmsten in den Dörfern verändert hat, eine lähmende, unchinesische Stagnation. Menschen lebten und starben in Müllcontainern.
Chinas neuer starker Mann ist nicht zu beneiden. Er soll die stockende Wirtschaft wieder ankurbeln und von Hemmnissen befreien. Er soll seine Generale im Zaum halten und weltweit Frieden stiften. Er soll die Korruption effektiv bekämpfen und erwirken, dass soziale Unruhen vermieden werden. Er soll dafür sorgen, dass die Schere zwischen Arm und Reich, Stadt und Land, Küstenprovinzen und Armenregionen im Landesinneren zugeht. Er soll die aufmüpfigen ethnischen Minderheiten wieder mit der Zentralgewalt versöhnen. Eigentlich ein Programm für einen Außerirdischen. Für einen wie ET , diesen anderen Filmhelden von Steven Spielberg neben dem tapferen Soldaten Ryan, den Xi Jinping so liebt.
5 INDIEN
Mythos und Moderne
In Indien gibt es mehr politische Parteien als Automodelle oder Eiscreme-Sorten: Derzeit bemühen sich 364 Parteien um die Wähler. Darunter sind Faschistoide, die sich speziell an die Hindus richten und ein »rassisch und religiös reines« Reich anstreben, ebenso wie Ultralinke. Muslime, Sikhs und Christen werden von speziellen politischen Gruppierungen umworben, gleich mehrere kommunistische Parteien, Marx- oder Mao-treu, kämpfen um die Wählergunst. Dann sind da die Parteien für besondere Berufs- und Interessengruppen, etwa die Großgrundbesitzer oder die Zuckerrohrfarmer, die neue städtische Mittelklasse. Religiöses vertreten die Brahmanen-Gruppierungen auf der obersten Stufe der Kasten-Leiter, die Interessenvertretungen reichen bis ganz hinunter zu den Dalits, wie die »Unberührbaren« heute heißen. Filmschauspieler gründen Parteien für Film-Freaks, Agnostiker versammeln sich unter dem Banner des Anti-Religiösen zu einer Atheisten-Partei, Waffenfans machen sich in militärisch orientierten Gruppen gemein, Sternengläubige in Astrologen-Zusammenschlüssen. Gleich zwei Parteien verschreiben sich den sehr spezifischen Anliegen der Eunuchen; andere behaupten, mit Yoga oder Ayurveda die Welt zu erlösen. Und alle, wirklich alle, wollen sich um die Interessen der Armen kümmern, was daran liegt, dass die Unterprivilegierten auf dem Subkontinent so zahlreich sind und auch so zahlreich zur Wahl gehen: Sie stellen das größte Potenzial für einen Erfolg an den Urnen. In Indiens politischer Landschaft gibt es nichts, was es nicht gibt – sieht man einmal davon ab, dass eine spezielle Interessenvertretung für Frauen fehlt.
Dennoch existieren nur sechs wirklich große, nationale Parteien, die in allen
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