Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten
er wusste nicht, ob er Stick jemals wieder in die Augen sehen konnte. Oder dem Indianer.
Das einzige Gesicht, das er jetzt sehen wollte, gehörte Hanna.
Als er sie in der Menge suchte, war sie verschwunden.
Er unterdrückte den Impuls, sofort loszulaufen und sie zu suchen. Der Indianer schätzte es nicht, wenn man während des Turniers aus der Reihe tanzte.
Und noch war es nicht zu Ende. Als man Stick und die Leiche von Muay Dad fortgeschafft hatte, folgte der letzte Kampf der ersten Runde. Kam es ihm nur so vor, oder sahen die Zuschauer nun noch aufmerksamer hin?
Vielleicht erwarteten sie, dass sie etwas ähnliches noch ein zweites Mal vorgesetzt bekamen. Auch die Damen hatten sich inzwischen gefangen, lachten schon wieder ihr klirrendes Kichern.
Gorgon trat in der zweiten Runde gegen einen drahtigen langhaarigen Burschen an … und unterlag. Er hatte seinen Rhythmus völlig verloren. Er dachte zu viel nach, zum Beispiel über den Grund, warum Hanna für einen winzigen Augenblick so zufrieden ausgesehen hatte, als Stick seinen Gegner hingerichtet hatte. Oder über den Grund ihres plötzlichen Verschwindens. Seit sie zusammen waren, war sie niemals ohne ihn nach Hause gegangen. Sie liebte es, direkt nach den Kämpfen mit ihm Sex zu haben.
Natürlich dachte er auch über andere Dinge nach. Über die Veränderung, die mit Stick vor sich gegangen war. Er war ein netter Kerl gewesen, Gorgon hatte ihn gemocht. Wie er auch Muay Dad gemocht hatte.
Das Einzige, was er an dieser ganzen Geschichte zu verstehen glaubte, war, warum der Indianer den Kampf nur zögernd abgebrochen hatte. Muay Dad musste ihm ein Dorn im Auge gewesen sein. Die Geschichten, die er über ihre Begegnung in Thailand erzählte, konnten ihm nicht behagt haben. Der Indianer hatte es bisher vorgezogen, eine geheimnisumwitterte Figur zu sein, ein Mann ohne Freunde, ohne Vergangenheit. Hatte er Stick selbst den Auftrag gegeben, Muay Dad zu töten?
Nein, Stick hatte an diesem Abend nicht auf Befehl gehandelt. Er hatte vielmehr unter einem Bann gestanden, wie unter Hypnose – oder wie ein Zombie, einer jener lebenden Toten von Haiti. War so etwas möglich? Konnte mehr dahinterstecken als eine einfache geistige Verwirrung?
Das Turnier ging in einem heftigen nassen Schneesturm zu Ende, und Gorgon, der gehofft hatte, Hanna noch abseits in den Schatten der verlassenen Lagerhallen vorzufinden, war enttäuscht worden. Er horchte in sich hinein, versuchte herauszufinden, ob es unter seiner Würde war, sie trotzdem aufzusuchen, und er merkte, dass sein Verlangen, sie in den Armen zu halten, größer war als jeder Stolz.
Er fuhr zu Hannas Wohnung, klingelte, und als sie ihm öffnete, sah sie nicht wütend aus, nur ein wenig müde. Es gelang ihm, ihre Lust zu wecken, doch als sie sich ihm hingab, tat sie es in einer Weise, wie andere Frauen das taten. Der Sex mit ihr war noch immer aufregend, ihr Körper wunderschön, aber ihre Lust war die eines Menschen, nicht mehr die einer Göttin.
„Was hat dich verändert?“, fragte er sie in aller Direktheit, nachdem ihr Liebesspiel vorüber war. Sie lagen nebeneinander. „War es der Kampf zwischen Stick und Muay Dad?“
Sie antwortete nicht, und er sagte, ein wenig ungehalten: „Ich dachte, wir haben keine Geheimnisse voreinander.“
„Du hast vergessen, dass wir doch eines haben“, erwiderte sie, und ihr Körper spannte sich kaum merklich. „Nur ein einziges.“
„Dann wird es heute Zeit, dass wir es lüften.“ Er schob den Arm unter ihren Kopf. Sie wehrte ihn nicht ab.
Ihre Augen waren geöffnet, blickten an die Decke des Schlafzimmers. Die Laken waren glatt und perfekt unter ihnen. Sie hatten bei der Liebe kaum Spuren hinterlassen, hatten miteinander geschlafen wie … Gentlemen.
„Mein Geheimnis gehört mir“, sagte sie langsam.
„Dann beginne ich mit meinem: Du wolltest meinen echten Namen wissen. Ich heiße Georg. Georg Jergowitsch. Der Indianer schlug mir vor, mich Gorgon zu nennen, weil es ähnlich klang – und dann befahl er mir meine langen Haare zu Zöpfen zu flechten, damit es wie die Schlangen der Gorgonen aussah. Er muss es sehr genossen haben, mich zu skalpieren.“
Hanna schwieg.
„Jetzt du“, drängte Georg.
„Ich kann mein Geheimnis nicht verraten.“
Er zog die Mundwinkel herunter, dachte nach. „Sagst du mir wenigstens, warum nicht?“
„Weil es so vieles verändern würde.“
„Zwischen uns?“
„Nicht nur zwischen uns. Es würde deine Sicht der Welt
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