Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
der Region bei Aufbau und Erhalt eines Imperiums geholfen: Teotihuacán. Für Chichén Itzá stellte der heilige cenote eine unerlässliche Hilfe beim Machtausbau dar. Wichtigster Gott war nunmehr Kukulkán, der den Maya früher zwar bekannt, aber nicht übermäßig wichtig gewesen war und in seiner Heimat Zentralmexiko den ungleich berühmteren Namen Quetzalcoatl trug. Er diente als ideologische Klammer, um religiös zu rechtfertigen, dass Chichén Itzá seine Macht derart weit spannte. Das nunmehr bemühte Götterpantheon war eine bunte Mischung aus Gottheiten der gesamten Region, so dass sich jeder darin wiederfinden konnte.
Wissenschaftler sehen in dieser Kombination aus militärischer, wirtschaftlicher und ideologischer Machtausübung die eigentliche Erklärung für den Erfolg des Imperiums der Itzá mit ihrer Hauptstadt Chichén Itzá. Politisch flexibel und stabil, militärisch kraftvoll und unerbittlich, eine in der gesamten Region anerkannte Gottheit als wichtigste der Stadt sowie die Kontrolle über Produktion und Handel von Schlüsselwaren: Mithilfe dieses Erfolgsrezepts hielt sich Chichén Itzá als Hegemonialmacht länger als jede andere Maya-Stadt.
Allerdings war auch Chichén Itzás Herrschaft nicht für die Ewigkeit gebaut – die Vorherrschaft der Wirtschaftsmacht währte nur gut 200 Jahre. Um 1050 n. Chr. fand die zuvor rege Bautätigkeit ein Ende: ein untrügliches Zeichen für Probleme,für einen Abwärtstrend. Was den Niedergang bewirkte, ist umstritten – möglich ist eine militärische Niederlage, aber ebenso könnte eine ganz ähnliche Kombination von Ursachen, wie sie zuvor anderen Städten fatal geworden waren, nun für Chichén Itzá zu einer Handvoll Sargnägel geworden sein: Überbevölkerung, Raubbau an den natürlichen Ressourcen, militärische Auszehrung, Klimaveränderungen, politische Fehler.
Was auch immer im Einzelnen dazu führte: Um 1100 hatte Chichén Itzá nicht nur die Vormachtstellung in Mittelamerika eingebüßt, sondern auch den Großteil seiner Bevölkerung. Ganz aufgegeben wurde die Stadt zwar nicht, von ihrem verblassenden Glanz jedoch kündeten seither nur noch zunehmend verfallende Bauwerke, die ihr Publikum verloren hatten. Immerhin als Wallfahrtsort zog die Stadt weiterhin Besucher an. Als wirtschaftlicher und politischer Platzhirsch aber wurde Chichén Itzá vom weiter westlich gelegenen Mayapán abgelöst, das sich gleichwohl von der Vorgängerin stilistisch beeinflussen ließ: Mayapán kopierte kurzerhand mit der Kukulkán-Pyramide und dem Caracol zwei wichtige Bauwerke Chichén Itzás, offenbar um mit dem, wenn auch kleineren, Nachbau an die alte Metropole anzuknüpfen.
Letztlich aber gingen auch die Städte der Postklassik den Weg allen Fleisches, auch sie ächzten unter Überbevölkerung, Dürren und Raubbau an der Natur – und auch ihre politische Führung erwies sich schließlich als nicht mehr in der Lage, diesen Problemen abzuhelfen. Was die Spanier Anfang des 16 . Jahrhunderts vorfanden, war also nicht mehr die eindrucksvoll in Blüte stehende Stadtstaatenkultur der Maya-Klassik, wohl aber immer noch beeindruckend genug. Trotzdem versetzten die Spanier der Kultur der Maya den Todesstoß, so dass es enormer wissenschaftlicher Anstrengungen bedurfte – und nach wie vorbedarf –, um diese faszinierende Vergangenheit offenzulegen und den Maya von heute mit ihrer Geschichte auch einen Teil ihrer Identität zurückzugeben.
ANGKOR, KAMBODSCHA
Mit dem Langmut der Geschichte betrachtet, wissen die verschiedenen Gegenden der Erde noch gar nicht übermäßig lange voneinander – all die Jahrhunderte sind ja nicht viel angesichts einer Menschheitsgeschichte, die in Millionen Jahren zählt. So betrachtet mag es überraschen, dass sich bei aller Vielfalt in vielen Winkeln der Erde unabhängig voneinander Ähnliches vollzog: Dazu gehören kosmologische Vorstellungen wie die einer Sintflut, die fast alle Religionen teilen. Dazu gehören erstaunliche Parallelen früher Systeme der Zeitrechnung. Dazu gehört die verbreitete Herrschaftsform von Gottkönigen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Dazu gehören massive Wanderungsbewegungen, die die alten Ordnungen erschütterten. Und es gehört dazu die Entstehung von Staaten und Reichen mit ihrem Ringen um Vorherrschaft über eine Region. Das war nicht anders in Südostasien, wo Kambodscha im 9 . Jahrhundertvom Spielball zum Spieler aufsteigen konnte: mit dem Reich von Angkor.
In Asien war (und ist) die
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