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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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findet dieses kosmologische Motiv keinen derart markanten und umfassenden architektonischen Niederschlag.
    Wie anderswo flossen in Kambodscha Religiöses und Weltliches ineinander, ohne dass eine Unterscheidung immer möglich oder gewollt gewesen wäre. Das belegen unter anderem die Tempelinschriften. Zwar beginnt jede stets mit der Anrufung der zuständigen Gottheit, aber dann wird es meist deutlich prosaischer: Es geht um Prozesse oder Besitzstreitigkeiten, um Landverteilung oder die Gründung von Siedlungen – also das, was den Alltag der Menschen ausmacht. Entsprechend waren die Tempel auch keine rein religiösen Zentren, sondern ganz allgemein Orte des öffentlichen Lebens, wie das für europäische Kirchen des Mittelalters ebenso gilt. Und natürlich nahmen auch die Gottkönige im Zweifel ihre religiöse Rolle weniger wichtig als die weltliche, denn sie beriefen sich auf ihre angeblich göttliche Position nicht zuletzt deshalb, weil es sich damit besser regieren ließ. Oder besser gesagt: Beides gehörteuntrennbar zusammen, und das kam wohl nicht nur den davon profitierenden Herrschern völlig plausibel vor, sondern den einfachen Menschen gleichermaßen. Den Herrschern nacheifernd, gab sich die Elite ebenso religiös, verfolgte aber hinter dieser frommen Fassade handfeste wirtschaftliche Interessen.

    Angkor (der Name bedeutet »Stadt«) liegt im Norden Kambodschas in der Provinz Siem Reap, nördlich des Tonle Sap (»Großer See«) – das größte Binnengewässer Südostasiens, von dessen Ufer aus vor mindestens sechstausend Jahren die menschliche Besiedlung Kambodschas begann – und der Regionalhauptstadt, die der Provinz ihren Namen gab. Angkor ist heute eine beliebte touristische Anlaufstelle, und die Wahrnehmung der Besucher wird natürlich geprägt von den überwältigenden Tempelbauten mit ihrer faszinierenden Architektur und ihrem verwunschenen Flair angesichts des ruinösen Zustandes und des Dschungels rundherum. Insgesamt besteht die Region um das alte Angkor aber nicht nur aus den berühmten Tempelgroßbauten, sondern aus vielen tausend kleineren Tempeln und Tempelruinen, die zu dokumentieren für die Archäologie eine langwierige Aufgabe darstellt. Viele davon sind nur noch als spärliche Reste erhalten, sie waren zumeist klein, bescheiden und aus vergänglichem Material errichtet. Aber das religiöse Leben war eben keineswegs das Privileg derer, die sich monumentale, dauerhafte Tempelbauten leisten konnten, die unser Bild heute prägen. Die bescheidenen Tempel wurden offenbar von ländlichen Siedlungen in Gemeinschaftsarbeit errichtet, während die repräsentativen Königstempel eindrucksvoll beweisen, über wie viele Arbeitskräfte die Herrscher verfügen und sie der produktiven Wirtschaft entziehen konnten.
    Im letzten Drittel des 9 . Jahrhunderts ließ König Indravarman I . im Rahmen seiner Entwicklungsprojekte auch ein riesigesWasserreservoir mit beachtlichen dreihundert Hektar Oberfläche anlegen. Solche Reservoire namens baray bauten seine Nachfolger ebenso; das Wasser diente sowohl dem zivilen Verbrauch als auch dem rituellen Wasserbedarf der Tempelanlagen. Großer Aufwand wurde für dieses Wassermanagement betrieben, so dass Archäologen auf immer mehr kleinere Teiche und Kanäle ( trapeang ) stoßen, deren Zahl einst mindestens in die Hunderte gegangen sein muss. Der praktische Nutzen – unter anderem zur Versorgung der Reisfelder – liegt auf der Hand, denn durch die Weiterentwicklung der Landwirtschaft konnte eine wachsende Bevölkerung ernährt werden. Daneben kam den Wasserbauanlagen der Region um Angkor vermutlich auch eine religiös-symbolische Bedeutung zu.
    Das Reich von Angkor ist nach seiner Hauptstadt benannt, die Indravarmans Sohn Yashovarman I . Ende des 9 . Jahrhunderts gründete. Seine Herrschaft reichte im Norden bis ins heutige Laos und Thailand hinein, und er konnte offenbar über sehr viel mehr menschliche Arbeitskraft verfügen als sein Vater. Der hatte zwar als erster König im großen Stil bauen lassen, aber sein Sohn übertraf ihn um Längen. Im ausgehenden 10 . Jahrhundert dann setzte das Reich von Angkor zum Aufstieg zur Großmacht an. Immer größer wurde das Herrschaftsgebiet, und die zwischenzeitlich verlegte Hauptstadt zog abermals nach Angkor um, woraus erneut umfangreiche Baumaßnahmen folgten.

    Angkor Wat ist der berühmteste der vielen Tempel von Angkor. Seine Bedeutung lässt sich schon daran ablesen, dass er nicht nur auf Banknoten, sondern mit

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