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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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mehr diese Qualität, mochten sie Vorangegangenes an Umfang auch übertreffen. Jayavarman selbst ließ nach einem zerstörerischen Angriff auf die Hauptstadt ein ganz neues Stadtzentrum errichten: Angkor Thom, dessen bekanntestes Bauwerk der Tempelberg Bayon ist. Aber auch wenn er im Vergleich zu Angkor Wat ein wenig nachlässig ausgeführt wirkt, stellt der Tempelberg Jayavarmans, dessen Türme nicht Lotosblumen nachempfunden sind, sondern menschliche Antlitze abbilden, doch ganz große Khmer-Kunst dar. Mit diesen Großprojekten war es keineswegs getan, denn der König – ein Anhänger des Buddhismus – ließ zahlreicheweitere Tempel überall im Land errichten, zumeist mit Gesichtertürmen wie die des Bayon, als sollte deren unerschütterliche Ruhe auf die Menschen ausstrahlen. Darüber hinaus wurde eine beachtliche Infrastruktur errichtet: Ein ausgedehntes Straßennetz kam frommen Pilgern ebenso zugute wie die mindestens hundertzwanzig Rasthäuser und über hundert Hospitäler, die bislang identifiziert werden konnten.
    Jedoch bedeutet dieser Höhepunkt zugleich auch den Scheitelpunkt: Die enorme Machtausdehnung Angkors ließ sich nicht dauerhaft aufrechterhalten, und in den aufstrebenden Nachbarn Vietnam und vor allem Thailand wuchsen mächtige Gegner heran, die noch dazu von der steigenden Bedeutung des Seehandels profitierten. Hinzu kamen die enormen Kosten der Baumaßnahmen mehrerer Könige und weitere innere Probleme, darunter die Folgen intensiver Landwirtschaft und Bewässerung in Form von Umweltproblemen. Insofern sind Parallelen zum Untergang der mittelamerikanischen Maya-Städte auffällig. Wann genau der Abstieg Kambodschas begann und was ihn im Einzelnen vorantrieb, ist nicht zufriedenstellend erforscht, aber am Ausgang des 14 . Jahrhunderts endet die Bautätigkeit der Khmer-Könige, und auch die Informationsquelle Inschriften versiegt. Religiös erfolgte eine Neuausrichtung zur alten Schule des Theravada-Buddhismus, die eine Abkehr vom früheren indischen Einfluss, aber auch vom Gottkönigtum nach sich zog; zugunsten der einheimischen Khmer-Sprache wurde das Sanskrit aufgegeben. Neue repräsentative Tempelbauten wurden nicht mehr in Angriff genommen, und der Niedergang des Landes setzte den bestehenden Prachtbauten zu. Ein Übriges erledigte der Zahn der Zeit. Als im 15 . Jahrhundert Thailand mehrmals in Kambodscha einfiel, gab man das zerstörte Angkor Thom auf und verlegte mehrmals die Hauptstadt – schließlich nach Phnom Penh, das noch heute diesen Status innehat. Der den Wegzug von Angkor verfügende König Ponhea Yat sollte der letzte der stolzen Herrscher des Reiches sein. Auch Angkor Wat wurde zum Opfer kriegerischer Zerstörungen und diente später buddhistischen Mönchen als religiöses Zentrum.

    Über die folgenden Jahrhunderte war mal der Einfluss der Thai, mal der von Vietnamesen bestimmend, aber ein wirklicher Niedergang Kambodschas erfolgte erst seit Ende des 17 . Jahrhunderts, denn bis dahin bewahrte sich das Land durch seinen florierenden Handel einigen Wohlstand. Ende des 19 . Jahrhunderts schließlich wurde es Teil der französischen Kolonie Indochina. 1954 erlangte Kambodscha seine Unabhängigkeit, litt aber alsbald infolge ideologischer Auseinandersetzungen unter Bürgerkriegen. In deren Folge war es in den Siebzigerjahren den Roten Khmer möglich, eine kommunistische Terrorherrschaft zu installieren, die fast zwei Millionen Menschen und damit ein Viertel der Bevölkerung das Leben kostete und den Rest zu dumpf gehorchenden Arbeitern niederzwang. Zum ersten Trauma von Niedergang und Fremdbestimmung nach dem Ende des Angkor-Reiches trat also im 20 . Jahrhundert das der Schreckensherrschaft der Roten Khmer. Die wechselvolle Geschichte Kambodschas seit dem Untergang des Reiches von Angkor führte dazu, dass die historischen Baudenkmäler jener Zeit, also insbesondere die unzähligen Tempel, der Natur ausgeliefert vom Dschungel überwuchert wurden und erst im späten 20 . Jahrhundert die verdiente konservatorische Würdigung erfuhren – stolze Zeugnisse einer längeren Epoche der kulturellen und politischen Größe Kambodschas zwischen Jahrhunderten, in denen das Land der Khmer zum Objekt im Mächtespiel Stärkerer geriet.

ALHAMBRA, GRANADA/SPANIEN

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